Steuerzahlerbund blickt in die Blackbox

Ausländische Investoren finanzieren die deutsche Staatsschuld

Der deutsche Staat zieht internationale Investoren an: Über die Hälfte der Staatsschulden von 2,7 Billionen Euro sind in ausländischen Händen. Transparenz ist gefragt.

Ausländische Investoren finanzieren die deutsche Staatsschuld

Blick in die Blackbox deutscher Schulden

Steuerzahlerbund recherchiert große Gläubiger des Bundes – Mehr Transparenz in öffentlichen Statistiken gefordert – Bundesbank und Finanzagentur gefragt

Von Angela Wefers, Berlin

Die deutschen Staatsschulden steigen enorm. Allein der Bund wird seine seit 1949 aufgelaufenen Schulden von 1,7 Bill. Euro in den nächsten zwölf Jahren um die Hälfte erhöhen. Wessen Schuldner der Bund konkret ist, bleibt in veröffentlichten Statistiken intransparent. Der Steuerzahlerbund hat nun große Gläubiger ermittelt und fordert mehr Transparenz von Bund, Ländern und Gemeinden sowie Bundesbank und Finanzagentur.

Der deutsche Staat als Schuldner ist attraktiv für internationale institutionelle Investoren. Fast die Hälfte der gesamten Staatsschuld von 2,7 Bill. Euro aus Anleihen und Bankkrediten wird von ausländischen Gläubigern finanziert. Offizielle Statistiken sind aber wenig detailliert und konkret. Der Bund der Steuerzahler hat nun einen Blick in die Blackbox geworfen. „Zinsen und Tilgung zahlen wir beispielsweise an italienische Großbanken, dänische Pensionskassen, texanische Lehrerpensionsfonds und diverse Staatsfonds“, konstatiert der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel. „Freunde der Staatsverschuldung argumentieren gern, dass wir die Kredite „uns selbst“ schulden“, so Holznagel. Doch tatsächlich stünden hinter rund der Hälfte der deutschen Staatsverschuldung keine Inländer.

Breit angelegte Umfrage

Mit einer breit angelegten Umfrage unter Dutzenden von Banken, Versicherern und Fonds im In- und Ausland sowie durch eigene Recherchen hat das Deutsche Steuerzahlerinstitut DSi, wissenschaftlicher Arm des Steuerzahlerbundes, Daten zusammengetragen und mehr Licht ins Dunkel gebracht. Die Ergebnisse liegen der Börsen-Zeitung vor. Der größte niederländische Pensionsfonds ABP und der zweitgrößte Fonds PFZW waren Ende 2024 mit 18,7 und 19,1 Mrd. Euro Euro engagiert, der dänische Pensionsfonds ATP mit 18,3 Mrd. Euro. Versicherer wie die Axa hielten 12,7 Mrd. Euro, Allianz und Munich Re 23,6 und 15,7 Mrd. Euro.

Unter den ausländischen Banken hielten Goldman Sachs – allerdings zum Jahresende 2019 – für 20,4 Mrd. Euro deutsche Staatsanleihen. Bei Unicredit waren es Ende 2024 rund 7,6 Mrd. Euro, bei der Deutschen Bank nur 1,8 Mrd. Euro. Dafür hatten deutsche Banken laut DSi reichlich Kommunalkredite in den Büchern: die Deutsche Bank 3,1 Mrd. Euro, die Landesbanken Helaba und LBBW 33,3 und 16,3 Mrd. Euro Ende 2024.

Auch Zentralbanken außerhalb des Euroraums halten größere Volumina an Bundespapieren. Ende 2024 lagen in Schweden und Norwegen 8,3 Mrd. Euro und 7,6 Mrd. Euro. Selbst die Notenbanken von Neuseeland und Australien hielten jeweils 900 Mill. Euro.

Frage der Glaubwürdigkeit

Der Steuerzahlerbund rät dazu, auch aus Gründen der politischen Glaubwürdigkeit genauer hinzuschauen. „Selbst Staatsfonds, die mit dem Erdölverkauf reich geworden sind – darunter der Staatsfonds Aserbaidschans – kaufen unsere Staatsanleihen“, hielt Holznagel fest. „Da wirkt es schon sehr fragwürdig, wenn wir mit solchen Gläubigern unsere Transformation und unsere Wehrfähigkeit finanzieren wollen.“ Staatsanleihen für 23 Mrd. Euro hielt Ende 2024 der norwegische Staatsfonds, 1,1 Mrd. Euro der Aserbaidschans. „Mit fiskalischer Resilienz hat das wenig zu tun“, betonte Holznagel. „Das sollten wir immer bedenken, wenn abstrakt über Staatsverschuldung gesprochen wird.“

Die Anfrage des DSi führten nur zum Teil zum Ziel. Die Zentralbanken von England, Japan und der Schweiz schrieben, dass sie keine Angaben zu einzelnen Ländern machten. Mit mehr oder weniger freundlichen Worten lehnten UBS und JP Morgan Auskünfte ab. Die Bayerische Versorgungskammer und die BASF-Pensionskasse baten um Verständnis, das sie keine detaillierten Informationen zur Verfügung stellten. Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder VBL hielt nicht einmal eine Rückmeldung für nötig.  

Der Steuerzahlerbund will die Öffentlichkeit in Zeiten steigender Staatsverschuldung sensibilisieren und forderte eine Transparenzoffensive. Informationen über Schuldenstruktur, Gläubigerverhältnisse und mögliche Abhängigkeitsverhältnisse hält das DSi gerade jetzt für wichtiger denn je. Bund, Länder und Kommunen sollen in ihrer Haushaltsberichterstattung die wichtigsten Bankkreditgeber veröffentlichen, verlangt der Steuerzahlerbund. Manche Kommunen wie die Stadt Kaarst seien schon soweit.

Gläubigerstrukturen aufzeigen

Von Bundesbank und Finanzagentur des Bundes erhofft der Steuerzahlerbund konkretere Informationen zu Gläubigerstruktur und -gruppen. Auch Strukturverschiebungen zwischen großen Gläubigern sollten dargelegt werden. Die Bundesbank solle ihren jährlichen Kurzbericht um solche Daten erweitern, die Finanzagentur des Bundes ihre Quartalsberichte zum Schuldenstand des Bundes. „Generell gilt: Transparenz ist hier das A und O!“, stellte Holznagel fest.