Schuldenbremse

Belastungsprobe für die Regel zur Haushaltsdisziplin

Die Schuldenbremse soll für solide Haushalte bei Bund und Ländern sorgen. Nach der Coronakrise steht die Rückkehr zur Disziplin infrage.

Belastungsprobe für die Regel zur Haushaltsdisziplin

Von Angela Wefers, Berlin

In einem Monat wird die schwarz-rote Koalition Farbe bekennen müssen, wie sie zur Schuldenbremse steht. Am 23.Juni will das  Bundeskabinett den Entwurf des Haushalts 2022 verabschieden und die mittelfristige Finanzplanung bis 2025. Dann muss die Regierung schwarz auf weiß darlegen, wie 2023 die Schuldenbremse wieder greifen soll. Die Eckpunkte für die Finanzplanung vom März deuten darauf hin, dass die Rückkehr zur Haushaltsdisziplin keine ausgemachte Sache ist.

Im nächsten Jahr will die Regierung die Schuldenbremse zum dritten Mal in Folge wegen der Corona-Pandemie aussetzen. Geplant ist eine Neuverschuldung von knapp 82 Mrd. Euro. Zusammen mit den Bundesschulden aus den Coronajahren 2020 und 2021 wird der Bund seinen Schuldenberg dann um mehr als 450 Mrd. Euro erhöht haben.

Die Schuldenbremse war 2009 im Grundgesetz verankert worden, um die Verschuldung von Bund und Ländern zu begrenzen. Sie ersetzte eine frühere, unwirksame Regelung, die Staatsschulden an öffentliche Investitionen geknüpft hatte. Das Konzept der Schuldenbremse verbindet nun Wirtschaftskraft (Bruttoinlandsprodukt/BIP) und Neuverschuldung. Der Bund darf sich seit 2016 nur noch mit 0,35% des BIP strukturell neu verschulden, die Länder strukturell überhaupt nicht mehr. Bereinigt wird dabei eine Konjunkturkomponente, so dass die Schuldenbremse auch in normalen Zeiten Nettokreditaufnahmen erlaubt – also keine schwarze Null verlangt. In den Jahren 2023 bis 2025 sind es beim Bund 8,3, 11,5 und 10,0 Mrd. Euro.

Für echte Krisenlagen wie die der Corona-Pandemie ermöglicht die Schuldenbremse, durch Parlamentsbeschluss selbst das strukturelle Schuldenlimit zu überschreiten. Die Besonderheit zur früheren Vorgabe liegt darin, dass die überbordenden Schulden – über das Regelmaß hinaus – nun tatsächlich getilgt werden müssen. Auf die Haushalte von Bund und Ländern kommen durch die Corona-Pandemie damit nicht nur höhere Zinsen durch den gewachsenen Schuldenstand zu, es müssen zusätzlich Tilgungsausgaben eingeplant werden. Das reißt Lücken.

Einnahmen reichen nicht

Die Finanzplanung bis 2025 zeigt, dass die laufenden Einnahmen im Bund nicht ausreichen, um die Ausgaben regelgerecht nach dem Schuldenbremsen-Regime zu decken. 2023 und 2024 gelingt dies nur mit einem Griff in die Reserve, die in der Flüchtlingskrise nicht verbraucht worden war. Wolfgang Schäuble (CDU) hatte als Finanzminister Haushaltsüberschüsse in einem Sondertopf gebunkert, anstatt damit Schulden zu tilgen. Schon 2024 wird die Reserve nicht mehr reichen, um die Ausgaben schuldenregelkonform zu decken. Im Etat klafft ein Loch von 5 Mrd. Euro und 2025 von 15 Mrd. Euro. Dies wird vornehm als „Handlungsbedarf“ umschrieben. In einer Bilanz wäre dies eine Luftbuchung.

Die Schuldenbremse steht unter einer Belastungsprobe. Für die Wahlkämpfer ist sie ein echtes Problem, bindet sie doch finanziell die Hände. Die Grünen plädieren für einen „zeitgemäße“ Schuldenbremse mit einer „begrenzten“ Kreditaufnahme für öffentliche Investitionen. Dafür plädiert auch der Industrieverband BDI oder das wirtschaftsnahe Forschungsinstitut IW. Dies würde einen klar definierten Investitionsbegriff bedingen. An diesem Manko war die alte Schuldenregel gescheitert. Die SPD umschifft das Thema Schuldenbremse. Die Union verhält sich zwiespältig. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) hatte mit einem Vorstoß zur Lockerung der Schuldenbremse Kritik aus den eigenen Reihen geerntet – auch von Kanzlerkandidat Armin Laschet. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sinnierte nun, dass die Rückkehr zur Schuldenbremse erst 2024 möglich sei. Bei der Union ist demnach alles möglich.