Fachkräftemangel

Berlin reformiert Fachkräfte­einwanderung

Die Ampel reformiert die Zuwanderung von Fachkräften. Ein entsprechender Entwurf wurde am Mittwoch im Kabinett präsentiert. Wirtschaft und Gewerkschaften zeigen sich zufrieden. Einige allerdings kritisieren die „halbherzigen“ Regelungen.

Berlin reformiert Fachkräfte­einwanderung

ast Frankfurt

Die Bundesregierung hat die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes auf den Weg gebracht. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) stellten die neuen Regelungen am Mittwoch im Kabinett vor. Erstmals wird mit der neuen Chancenkarte ein Punktesystem eingeführt. Die Regierung erhofft sich durch die Reform jährlich 75000 zusätzliche Arbeitskräfte. Aus Wirtschaft und Gewerkschaften kam viel Lob für die geplanten Regeln. Einige Experten kritisieren allerdings die „halbherzigen“ Regelungen.

„Wenn wir jetzt nicht alle Register ziehen, dann droht Arbeits- und Fachkräftemangel zu einer dauerhaften Wachstumsbremse für Deutschland zu werden“, sagte Heil in Berlin. Neben dem vereinfachten Familiennachzug und der leichteren Anerkennung von Berufsabschlüssen beinhaltet der Entwurf auch die „Chancenkarte“, die weitere Möglichkeiten zur Probearbeit und Nebenbeschäftigung bietet. „Auch dies dient dazu, neue Potenziale von geeigneten Arbeitnehmern für den deutschen Arbeitsmarkt zu erschließen, denen bislang die Arbeitsplatzsuche nicht möglich war“, heißt es in dem Entwurf. Die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Lehrstellensuche werden so abgesenkt.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte, dass die Regierung Hürden für mehr Fachkräfte abbauen wolle. Ärgerlich sei aber, dass die Ampel-Koalition „im Windschatten der Fachkräftezuwanderung wieder die Regeln für Unternehmen lockert, damit sie saisonale Arbeitskräfte auf Zeit billig nutzen können“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel.

„Die Bundesregierung hat ein sehr modernes Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht“, lobte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Einwanderungsländer wie Kanada hätten aber auch eine funktionierende Migrationsverwaltung, so Dulger weiter. „Für uns heißt das: In den Visastellen und Ausländerbehörden müssen wir schneller, einfacher und digitaler werden, anstatt weitere bürokratische Luftschlösser zu errichten.“

Für mehr Digitalisierung plädierte auch der Digitalbranchenverband Bitkom. „Viele der Neuregelungen können nur erfolgreich sein, wenn die Chancen der Digitalisierung konsequent genutzt werden“, mahnte Bitkom-Präsident Achim Berg. Das sei häufig nicht der Fall. „Grundsätzlich begrüßt Bitkom, dass für IT-Fachkräfte aus dem Ausland künftig auf einen Nachweis von Deutschkenntnissen verzichtet wird.“ Das allein werde aber nicht genügen, um den Mangel zu beheben.

Kritik aus der Wirtschaft erntete der Vorschlag insbesondere, weil sich die Koalitionäre nicht auf die Öffnung der Zeitarbeit für Fachkräfte aus Drittstaaten einigen konnten. „Damit wird die Chance vertan, dass die Zeitarbeit eine Vermittlerrolle übernimmt zwischen einwanderungswilligen Fachkräften und mittelständischen Firmen, die selbst nicht auf einem globalen Arbeitsmarkt nach passenden Fachkräften suchen können“, monierte Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbands VDMA. „Die Reform ist deshalb halbherzig.“

Auch Migrationsexperte Herbert Brücker sieht noch Luft nach oben. Die Chancenkarte sei „ein Beispiel für eine halbherzige Regelung, die in der Praxis wahrscheinlich wenig attraktiv ist“, da sie nur zur Arbeitssuche berechtige, aber keinen Zugang zum Arbeitsmarkt öffne, sagte Brücker der Nachrichtenagentur Reuters.