Berlin und Paris starten KI-Aufholjagd
Berlin und Paris starten KI-Aufholjagd
Berlin und Paris starten KI-Aufholjagd
EU-Regulierung soll entschlackt werden – Mehr Investitionen in die Infrastruktur auf Digitalgipfel versprochen
Die deutsche und die französische Regierung blasen zur Aufholjagd der Digitalbranche. Digitalminister Wildberger bezeichnete KI als Chance für Europa, um den Rückstand auf die USA und China aufzuholen. Frankreichs Digital-Staatssekretärin Anne Le Hénanff will bevorzugt Aufträge an europäische Firmen geben.
lz Frankfurt
Digitalminister Karsten Wildberger hat Europa zu größeren Anstrengungen aufgerufen, um den Rückstand bei Künstlicher Intelligenz (KI) aufzuholen. „Die Zeit läuft uns davon“, sagte er beim Digitalgipfel in Berlin. Europa sei bei digitalen Technologien insgesamt „zu lange Kunde und Zuschauer gewesen. Jetzt müssen wir zum Schöpfer werden.“
Die Aufholjagd bei KI ist nach seiner Ansicht nach auch der richtige Ansatzpunkt, um die digitale Souveränität des Kontinents insgesamt wieder herzustellen. Denn mit KI würden „die Karten der Digitalisierung neu gemischt“. KI sei nicht nur die nächste Stufe, sie sei auch „ein neues Paradigma“. Ohne KI gebe es keinen nachhaltigen Wohlstand, keine Wettbewerbsfähigkeit und keine souveräne Zukunft.
Regulierung abschwächen
Sowohl Wildberger als auch der französische Wirtschafts- und Finanzminister Roland Lescure pochten auf eine schnelle Vollendung des EU-Kapitalmarktes. Dafür brauche man jedes Jahr Hunderte Milliarden Euro. Geld sei in der EU zwar verfügbar, fließe aber immer noch zu einem großen Teil in den US-Finanzmarkt statt europäische Firmen zu finanzieren, sagte Lescure. Auch Wildberger betonte, wie wichtig es sei, dass Startups sich in Europa finanzieren könnten und nicht auf den US-Markt ausweichen müssten.
Um KI in Europa zum Erfolg zu verhelfen, gehört Wildberger zufolge auch ein Mentalitätswechsel in der Regulierung dazu. Die Regeln seien „zu komplex“. Datenschutz, Bürgerrechte und IT-Sicherheit seien zwar nicht verhandelbar, aber viele Vorschriften würden heute „im Voraus, sehr detailliert und lange vor der Innovation festgelegt, was die Akteure bremst“. Wildberger sprach von einem „mühsamen Prozess“ der Deregulierung.
DSGVO vereinfachen
Die stellvertretende EU-Kommissionschefin Henna Virkkunen kündigte an, dass die Brüsseler Behörde schon an diesem Mittwoch neue Vorschläge zur Entschlackung vorlegen werde. Die EU-Behörde will die Digitalgesetze – wie zuvor schon andere EU-Regelwerke – unter einem Dach bündeln und vereinfachen („Omnibus“). Betroffen sind unter anderem die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die Regulierung der Künstlichen Intelligenz („AI Act“) sowie der Data-Act und das Cybersicherheitsgesetz. Die französische Digital-Staatssekretärin Anne Le Hénanff kündigte in diesem Zusammenhang an, die Anwendung des europäischen AI-Acts zur Regulierung der Branche in Frankreich zunächst für ein Jahr auszusetzen.
Mit ihrem Vorstoß will Brüssel vor allem die Entwicklung eigener europäischer Technologien erleichtern. Die EU-Digitalgesetze hätten zu einem Wust an komplizierten und sich teils widersprechenden Regulierungen entwickelt, heißt es im Entwurf zum Omnibus-Gesetz.
Draghi-Report
Vor über einem Jahr hatte bereits der EU-Beauftragte für Wettbewerbsfähigkeit, der frühere EZB-Chef Mario Draghi, die „Anhäufung“ von Regulierungen kritisiert wegen negativer Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit. Draghi hatte explizit die DSGVO dafür verantwortlich gemacht, dass Unternehmen in der EU nicht genug in die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz investieren und deshalb hinter amerikanische und chinesische Wettbewerber zurückfallen.
Erst dieser Tage leitete die EU-Kommission eine neue Untersuchung ein, ob sich bestimmte Dienste der US-Tech-Unternehmen Amazon und Microsoft an strenge europäische Digitalregeln halten müssen. Konkret geht es um sogenannte Cloud-Computing-Dienste der beiden Firmen, wie die Brüsseler Behörde mitteilte. Analysen deuteten darauf hin, dass Microsofts Dienst Azure und Amazons Web Services eine zu starke Position in Bezug auf Unternehmen und Verbraucher hätten. Gleichzeitig erreichten sie mit ihren Nutzerzahlen und ihrer Marktposition eigentlich nicht die nötigen Schwellenwerte, um sich an strengere Gesetze halten zu müssen.
Kritik an Bayern
Zu Forderung von Verbänden, bei öffentlichen Ausschreibungen künftig europäische digitale Lösungen zu bevorzugen, äußerte sich Wildberger zurückhaltend. Man tue gut daran, nicht immer „entweder oder“ zu machen. Es gehe nicht um „Abschottung oder Abgrenzung“. Digitale Souveränität bedeute nicht, Türen zuzumachen. Man werde weiterhin mit führenden Technologie-Unternehmen aus dem Ausland zusammenarbeiten. Zuletzt hatte es Kritik am Verhalten Bayerns gegeben, das die Ausstattung mit Verwaltungssoftware allein an Microsoft vergeben hat, statt etwa Open-Source-Produkte dafür herzunehmen wie andere Bundesländer.
