Boomtown Mailand im Korruptionssumpf
Notiert in Mailand
Boomtown im Korruptionssumpf
Die Mailänder Staatsanwaltschaft ermittelt in gewaltigem Immobilienskandal
Von Gerhard Bläske
bl Mailand
Mailand ist die Boomtown Italiens. Seit der Weltausstellung 2015 sind neue Immobilienprojekte wie Pilze aus dem Boden geschossen. Angeblich 30 Mrd. Euro wurden seither investiert. Die vielen Wolkenkratzer von Stararchitekten wie Zaha M. Hadid, Rem Koolhaas oder Herzog & de Meuron haben die Skyline drastisch verändert. Profitiert haben vor allem Immobilienentwickler, Architekten, Unternehmer und reiche Ausländer, die von großzügigen Steuerregelungen angezogen worden sind. Letztere legen die verlangten 7.000 bis 12.000 Euro pro Quadratmeter ohne mit der Wimper zu zucken hin.
Verlierer dessen sind etwa Studenten und selbst die Mittelklasse in Mailand. Sie können sich die Preise und Mieten nicht leisten und sind häufig in öde Vororte verdrängt worden.
Großer Steuerskandal für Italien
Wo viel Geld zu verdienen ist, das sind auch kriminelle Machenschaften und Korruption meist nicht weit. Was jetzt in Mailand aufgedeckt worden ist, das hat das Zeug zu einem der größten Skandale Italiens der letzten Jahre. Involviert sind Bauherren, Architekten, hochrangige Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Bürgermeister Beppe Sala. Die Staatsanwaltschaft Mailand ermittelt gegen 74 Personen wegen Korruption, der illegalen Beschleunigung von Baugenehmigungen, Urkundenfälschung und der Vertuschung von Interessenskonflikten. Es geht um Projekte wie das Olympische Dorf für die Winterspiele 2026 und das Fußballstadion San Siro.
Im Visier ist auch Stararchitekt Stefano Boeri, bekannt für seinen begrünten Wolkenkratzer Bosco Verticale, aus dessen Fassade mehr als 20.000 Bäume und Sträucher sprießen. Gegen sechs Beschuldigte, nicht aber gegen Boeri, hat die Staatsanwaltschaft Hausarrest oder Untersuchungshaft beantragt.
Falsches Vorbild
Mailand galt wegen seiner raschen und unkomplizierten Baugenehmigungen als vorbildlich in Italien. Doch die Ausweitung der Mailänder Regelungen auf das ganze Land ist blockiert. Bereits 2024 stoppte die Justiz 150 begonnene Bauprojekte in Mailand.
Alle steckten offenbar unter einer Decke. Die Betroffenen, Architekten, der Präsident des Immobilienentwicklers Coima, Manfredi Catella, sowie Stadtbedienstete schusterten sich gegenseitig Aufträge zu. Sie „kontrollierten“ sich gegenseitig. Bestechungsgelder in Millionenhöhe sollen geflossen sein.
Zahme Opposition
An der Piazza Aspromonte etwa, wo vorher ein- und zweistöckige Häuser standen, wurde trotz heftiger Proteste auf sieben Stockwerke aufgestockt. Deklariert wurde es als „Sanierung“. Die Bewohner der Nachbarhäuser haben nun Mauern vor ihren Balkonen. Sie müssen selbst an Sonnentagen das Licht einschalten.
Das alles geschah unter einer seit vielen Jahren links dominierten Stadtregierung. Bürgermeister Sala sieht keinen Grund für einen Rücktritt. Die rechte Opposition, auf regionaler und nationaler Ebene in der Regierung, ist ihm gegenüber erstaunlich milde. Denn es ist auch ihre Klientel, die mitmischte und profitierte.