NOTIERT IN FRANKFURT

Breakfast for one

Hätte jemals jemand geglaubt, dass wir uns irgendwann einmal nach Gedränge sehnen? Nach dem Gewimmel und Geschubse auf der belebten Einkaufsmeile, nach dem Andrang vor dem Check-in, nach der heißen Schlacht am kalten Buffet? Nun, in Zeiten der...

Breakfast for one

Hätte jemals jemand geglaubt, dass wir uns irgendwann einmal nach Gedränge sehnen? Nach dem Gewimmel und Geschubse auf der belebten Einkaufsmeile, nach dem Andrang vor dem Check-in, nach der heißen Schlacht am kalten Buffet? Nun, in Zeiten der Pandemie kann man in Erinnerung an große Menschenaufläufe in der Vergangenheit durchaus wehmütig werden. Ja, unglaublicherweise führt die Corona-Leere dazu, dass man sogar die kuriosen Figuren vermisst, die einen früher schier zur Weißglut gebracht haben.Das gilt beispielsweise für den Rüpel, den man über Jahre hinweg am Frühstücksbuffet des Business-Hotels angetroffen hat. Und der die Chuzpe hatte, sich die Weißbrotscheiben, die man drei Minuten zuvor in den Toaster geschoben hatte, auf seinen ohnehin überfüllten Teller zu laden, um anschließend noch die letzten zwei Fruchtjoghurts wegzuschnappen. Einer dieser selbstverliebten Aufsteigertypen eben, die wie selbstverständlich davon ausgehen, dass sich die ganze Welt samt aller Toastbrotscheiben und Fruchtjoghurts nur um ihn dreht. Hand aufs Herz, wenn man dieser Tage an der Rezeption des ziemlich menschenleeren Hotels seine plastikverpackte Breakfast-Box abholt, um in der Isolation des Einzelzimmers seine Morgenmahlzeit einzunehmen, wünscht man sich den halbstarken Zeitgenossen aus dem Frühstücksraum fast wieder herbei.Eine gewisse Melancholie erfasst einen derzeit auch, wenn man den Aufzug im Bankhochhaus besteigt. Erinnerlich: Früher herrschte dort eine Enge wie beim Stones-Konzert in der Festhalle. Jetzt fühlt man sich so einsam wie Nordkorea in der Generalversammlung der Vereinten Nationen, wenn man mutterseelenallein Richtung Wolken gleitet. Und man erinnert sich geradezu sentimental an die Momente, als früher viel zu dicke Leute noch in die bereits überfüllte Kabine hereindrängten – und sich nicht einmal wieder herausbewegten, obwohl sie den Alarm wegen Überladung des Lifts ausgelöst hatten. Das sollte sich heute noch einer wagen – wo schon eine Rüge kassiert, wer auf dem breiten Etagenflur nicht strikt auf seine Seite ausweicht. Und wo nicht wenige Spaziergänger sonntags im Taunus ihre Wanderstöcke bei Begegnungen auf breiten Waldwegen seitlich abspreizen, um den Mindestabstand sicherzustellen. *Viele Bekannte und Kollegen haben aus alledem mittlerweile die Konsequenz gezogen, sich überhaupt nicht mehr aus den eigenen vier Wänden herauszubewegen. Statt Freunde zum Abendessen zu besuchen, wird per Teams, Webex & Co. diniert, wobei die Profis vorher die Rezepte austauschen, damit am Abend letztlich alle das gleiche Menü vor sich haben: “Mmmh, das Osso buco ist ausgezeichnet.”Per Doko-Lite-App oder Fuchstreff-App lässt sich natürlich auch das abendliche Doppelkopf in die virtuelle Welt verlagern. Aber aufgepasst: Um zu beschummeln, braucht es im Internet nicht einmal gezinkte Karten. Sondern gerade mal ein zweites Handy.