Arbeitsmarkt

Britische Reallöhne steigen erstmals seit November 2021

In Großbritannien hat das Lohnwachstum den Preisauftrieb hinter sich gelassen. Die Arbeitslosigkeit stieg unerwartet. Am Markt wurden die jüngsten Konjunkturdaten als Hinweis auf weitere Leitzinserhöhungen der Bank of England gewertet.

Britische Reallöhne steigen erstmals seit November 2021

Britische Reallöhne legen erstmals seit November 2021 zu

Arbeitslosigkeit nimmt unerwartet zu – Zahl der offenen Stellen schrumpft – Produktivität steigt

hip London

Britische Arbeitnehmer haben erstmals seit November 2021 wieder reales Lohnwachstum verzeichnet. An den Finanzmärkten wurden die Daten als Indikator dafür gesehen, dass die Bank of England den Leitzins im September weiter erhöhen wird. Wie das Statistikamt ONS mitteilte, stiegen die Wocheneinkommen inklusive Sonderzahlungen in den drei Monaten per Ende Juni im Schnitt um 8,2%. Ohne Sonderzahlungen verbesserten sie sich um 7,8%. Das war der höchste Wert seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2001. Volkswirte hatten im Schnitt nur ein Plus von 7,3% bzw. 7,4% angesetzt.

Der Tarifabschluss für das öffentliche Gesundheitswesen NHS (National Health Service), der mit einer im Juni geleisteten Einmalzahlung zwischen 1.650 und 3.500 Pfund verbunden war, hatte großen Einfluss auf die Daten. Für den NHS arbeiten 1,4 Millionen Menschen. Darren Morgan, der für die Arbeitsmarktdaten verantwortliche Direktor der Behörde, machte in einem Interview der BBC in den Zahlen aus der Vergangenheit eine Erholung der Reallöhne aus. Mit Blick nach vorn ergibt sich ein Reallohnwachstum von 0,5% mit Boni und von 0,1% ohne Sonderzahlungen. Am Mittwoch stehen Inflationsdaten zur Veröffentlichung an. Für Juli wird von Ökonomen im Schnitt ein Nachlassen des Preisauftriebs von zuletzt 7,9% auf 6,6% unterstellt.

Produktivität rechtfertigt Lohnerhöhungen

Die Arbeitsproduktivität nahm um 0,7% zu. Nach Ansicht von James Richard Sproule, dem Chefvolkswirt für Großbritannien bei Handelsbanken, sollte das die Sorgen der Geldpolitiker der Bank of England vor einer Lohn-Preis-Spirale, wie sie in den 1970er-Jahren zu beobachten war, etwas dämpfen. "Aus unserer Sicht ist der Transmissionsmechanismus für eine solche Lohn-Preis-Spirale außerhalb des öffentlichen Sektors sehr schwach, und die Produktivität rechtfertigt steigende Löhne", schrieb Sproule in einer ersten Einschätzung.

Zeichen für Entspannung

Die Arbeitslosigkeit stieg auf 4,2%. Volkswirte hatten lediglich 4,0% auf der Rechnung. Zudem wuchs die Zahl der Antragssteller auf Arbeitslosenhilfe im Juli um 29.000. Hier war man eigentlich von einem Rückgang um 7.300 ausgegangen. Und es gab noch weitere Hinweise darauf, dass sich die Lage am Arbeitsmarkt für die Arbeitgeber entspannt. Die Zahl der Beschäftigten ging um 66.000 zurück. Die Zahl der offenen Stellen schrumpfte um 6,6%. Die Annahme der Bank of England und vieler Bankvolkswirte, dass die Arbeitslosigkeit nur wenig steigen wird, beruht auf der Überlegung, dass Unternehmen an ihren Beschäftigten festhalten werden, um ähnliche Probleme bei der Rekrutierung von Mitarbeitern wie nach dem Ende der Pandemie zu vermeiden. "Der sich beschleunigende Trend bei der Arbeitslosigkeit fängt langsam an, Zweifel daran zu wecken", schrieb die HSBC-Volkswirtin Elizabeth Martins. Sproule wies darauf hin, dass der Unwille, sich von Mitarbeitern zu trennen, in den zurückliegenden vier Rezessionen zugenommen habe. Während die Arbeitslosigkeit 1982 bei 12% ihren Höhepunkt erreicht habe, habe er 1990 bei 10% gelegen, 2009 bei 8%. Er rechne damit, dass sie dieses Mal unter 6% liegen werde.

Die Zahl der wirtschaftlich Inaktiven ging zurück. Die Zahl derjenigen, die aus medizinischen Gründen wirtschaftlich inaktiv sind, stieg aber auf einen neuen Rekordwert von 2,6 Millionen. Wie der konservative "Spectator" anmerkte, liegt die Arbeitslosigkeit eher bei 12%, wenn man wirtschaftlich Inaktive und Empfänger von Sozialleistungen für Arbeitslose berücksichtigt

| Quelle:
BZ+
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