Schutzzölle

Brüssel will Schutzwall um Stahlindustrie hochziehen

Die EU-Kommission will verhindern, dass chinesischer Billigstahl den Markt überschwemmt. Die Maßnahmen stoßen jedoch auf wenig Gegenliebe auf Seiten der stahlverarbeitenden Betriebe. Diese fürchten international Wettbewerbsnachteile.

Brüssel will Schutzwall um Stahlindustrie hochziehen

Brüssel will Schutzwall um Stahlindustrie hochziehen

Zollfreie Importe sollen reduziert werden – Industriekunden fürchten höhere Preise

fed/das Brüssel/Frankfurt

Nebenstehender Kommentar

Die EU-Kommission macht sich für die Errichtung eines Schutzwalls stark, um Europas Stahlindustrie gegen Wettbewerber aus Drittstaaten zu schützen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen rechtfertigt die empfohlenen Maßnahmen mit dem Hinweis, dass „die weltweiten Überkapazitäten unserer Industrie schaden“.

Der Vorschlag sieht vor, dass die zollfreien Einfuhrmengen deutlich reduziert werden – um 47% im Vergleich zu den Stahlkontingenten für 2024. Zugleich sollen Importe, die diese Kontingente überschreiten, mit einem Zollsatz von 50% belegt werden – im Vergleich zu 25%, die bislang im Rahmen von Schutzmaßnahmen gelten. Für welches Land welche Anteile an den Kontingenten gelten sollen, will die EU-Kommission erst bestimmen, sobald Ministerrat und EU-Parlament den Vorschlag angenommen haben. Dann sollen auch Verhandlungen vor der Welthandelskonferenz starten, um mit betroffenen Drittländern zu beraten, wie man ihnen gegebenenfalls entgegenkommen kann. Der Satz von 50% gilt als nicht verhandelbar, vielmehr die Aufteilung der Kontingente. Ausgeschlossen von den Kontigenten und Zöllen sind nur die 27 EU-Länder plus Island, Norwegen und Liechtenstein – nicht aber die Schweiz oder Großbritannien.

Die Stahlkocher sind überzeugt ...

Für die deutschen Stahlkocher ist die Entscheidung aus Brüssel von höchster Relevanz, verfügt die Bundesrepublik innerhalb der EU doch über die größte Stahlindustrie. „Die EU-Kommission hat eine wichtige Gesetzesinitiative für einen wirksamen Schutz der europäischen Stahlindustrie vor Dumping und globalen Überkapazitäten auf den Weg gebracht. Damit setzt sie einen der wichtigsten Pfeiler ihres Stahl-Aktionsplans von März 2025 um“, kommentierte Dennis Grimm, Vorstandschef von Deutschlands größtem Stahlproduzenten Thyssenkrupp Steel.

„Mit den Vorschlägen für ein neues, wirksames Handelsschutzinstrument hat die Europäische Kommission ein starkes Signal gesetzt, das wir ausdrücklich unterstützen“, sagte Gunnar Groebler, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. „Das geplante Zollkontingentsystem ist ausgewogen und schafft die dringend benötigte Grundlage für fairen Wettbewerb.“ Die EU räume damit zentrale Hürden für Investitionen in die Dekarbonisierung aus dem Weg.“

Anders als die von den USA verhängten Zölle, sei das vorgeschlagene Quotensystem „keine Abschottung des europäischen Marktes“. Vielmehr schaffe es einen fairen Ausgleich, bei dem die europäische Stahlproduktion geschützt werde, ohne die verarbeitende Industrie unverhältnismäßig zu belasten, so Groebler.

... die Stahlabnehmer weniger

Doch die verarbeitende Industrie – Automobilindustrie, Maschinen- und Anlagenbau, Elektrobranche, Weiterverarbeiter sowie Baugewerbe – sieht das laut ersten Reaktion überwiegend anders: „Die EU muss auch die Interessen der Stahlkunden berücksichtigen und darf den Blick nicht allein auf die Erzeuger verengen“, sagte Christian Vietmeyer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung. „Insbesondere beim Flachstahl und beim Stabstahl müssen ausreichend große zollfreie Kontingente eingeführt werden, damit auch die Stahlverarbeiter wettbewerbsfähig bleiben und ein erwünschter Konjunkturaufschwung nicht abgewürgt wird.“

Der ZVEI als Verband der Elektro- und Digitalindustrie stieß ins gleiche Horn: Es sei laut ZVEI-Geschäftsführerin Sarah Bäumchen kaum vermittelbar, „weiterverarbeitende Industrien durch das Herabsetzen von Importquoten in schwierigen konjunkturellen Zeiten nochmals zu belasten.“ Die Elektro- und Digitalindustrie benötige einen flexiblen Zugang zu Stahlprodukten, beispielsweise für die Herstellung von Elektromotoren. Europäische Stahlhersteller könnten die steigende Nachfrage nach Vorprodukten schon heute nicht allein decken. Nach Ansicht des Maschinenbauverbands VDMA sollte zwar die Abhängigkeit von China im Stahlbereich minimiert werden, sagte Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. Gleichzeitig müssten aber negative Folgen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Maschinen- und Anlagenbaus durch signifikant höhere Beschaffungspreise vermieden werden.