Sanktionsfolgen

Bundesbank: Bei Energie-Embargo droht Rezession

Die Folgen eines Einfuhrstopps für Öl und Gas aus Russland werden in Ökonomenkreisen sehr kontrovers diskutiert. Die Bundesbank rechnet auf Basis eigener Berechnungen jedenfalls mit „erheblichen wirtschaftlichen Verlusten“.

Bundesbank: Bei Energie-Embargo droht Rezession

rec Frankfurt

Die Deutsche Bundesbank hat sich mit eigenen Berechnungen in die Kontroverse über die Folgen eines Komplettverzichts auf russische Energielieferungen eingeschaltet. Demnach droht eine Rezession, die Wirtschaftsleistung in Deutschland dürfte um bis zu 5 Prozentpunkte fallen. „Im verschärften Krisenszenario würde das reale Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr gegenüber 2021 um knapp 2% zurückgehen“, heißt es in einem Beitrag im neuen Monatsbericht. Die ohnehin stark steigenden Verbraucherpreise würden weiter getrieben: Die Inflation wäre laut Bundesbank „längere Zeit erheblich höher“.

Die Folgen eines Einfuhrstopps für Öl und Gas aus Russland sind höchst umstritten. Die Bandbreite der Schätzungen ist groß, die Unsicherheit immens. Darauf weist auch die Bundesbank hin. Vor diesem Hintergrund verweigert die Bundesregierung auf EU-Ebene ein Embargo, das über das beschlossene Auslaufen von Steinkohleimporten aus Russland bis zum Sommer hinausgeht. Andere EU-Staaten kritisieren die Weigerung Berlins. Zumindest der Stopp von Öleinfuhren als Teil eines weiteren Sanktionspakets der EU scheint aber nur noch eine Frage der Zeit.

Wirtschaft, Ökonomen und Politiker streiten erbittert über die wirtschaftlichen Folgen für Deutschland. Die einen argumentieren, dass Zögerlichkeit perspektivisch sogar höhere Kosten nach sich ziehen dürfte und Russland seinerseits Zeit zur Anpassung gibt, was den Effekt späterer Sanktionen schmälert. Diesem Lager der Verfechter eines raschen Energie-Embargos gehören etwa die Wirtschaftsweise Veronika Grimm und der Makroökonom Moritz Schularick an. Andere halten unabsehbare Schäden für die deutsche Volkswirtschaft dagegen. Dieses Lager setzt sich zusammen aus Vertretern von Energie- und Chemiekonzernen, Gewerkschaftern und Ökonomen wie dem Chef des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, und der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer.

Ausgangspunkt der Debatte ist eine Studie einer Gruppe von Ökonomen um Schularick und Rüdiger Bachmann von der Universität von Notre Dame. Darin bezeichneten sie im März die geschätzten BIP-Einbußen zwischen 0,5 und 3 Prozentpunkten als „substanziell, aber handhabbar“.

Die Bundesbank hat nun eigene Modellrechnungen angestellt. Dabei hat sie nach eigenen Angaben mehrere Teilaspekte miteinander kombiniert: internationale Wirtschaftsverflechtungen, etwa die Auslandsnachfrage; Besonderheiten der deutschen Wirtschaft; und Netzwerkeffekte, also Auswirkungen auf komplexe Wertschöpfungsketten, falls Energie für bestimmte Branchen oder Unternehmen rationiert werden muss. Diese gelten als besonders schwierig abzuschätzen.

Ergebnis: Im Euroraum seien „erhebliche wirtschaftliche Verluste“ zu erwarten. Auch in den folgenden Jahren ist demnach mit erheblichen Einbußen zu rechnen, vor allem wegen höherer Rohstoffpreise samt deren Auswirkungen auf Handelspartner. Für Deutschland würde sich als direkte Folge von Energie-Sanktionen die Auslandsnachfrage „erheblich“ verringern, während die Unternehmen zumindest „leicht“ an preislicher Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Zu rechnen sei mit einer „deutlich“ höheren Inflationsrate: Sie dürfte dieses Jahr 1,5 Prozentpunkte und 2023 gar 2 Prozentpunkte höher liegen. Als besonders gravierend stuft die Bundesbank sogenannte „Amplifikationseffekte“ ein – was also passiert, wenn aufgrund von Produktionsstopps anderswo wichtige Vorleistungen ausbleiben, die Krise also von direkt betroffenen Unternehmen auf andere ausstrahlt.

In Summe ergeben sich Einbußen beim deutschen Bruttoinlandsprodukt in der Größenordnung von 5 Prozentpunkten. In absoluten Zahlen entspricht dies Einbußen von ungefähr 165 Mrd. Euro, wobei der wesentliche Teil aufgrund von Rationierungseffekten zustande kommt. Ausgangspunkt ist die Prognose der Europäischen Zentralbank aus dem März. Diese gilt aufgrund der Eskalationen im Ukraine-Krieg indes als längst überholt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine BIP-Prognosen für Deutschland und den Euroraum gerade drastisch gesenkt, auf 2,1% und 2,8% im laufenden Jahr.

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