Bundesbankchef Nagel dringt auf mehr Tempo bei digitalem Euro
Bundesbankchef Nagel dringt auf mehr Tempo bei digitalem Euro
Sorge wegen der bereits weit fortgeschrittenen US-Konkurrenz aus Dollar-Stablecoins – Europäische Souveränität in Gefahr
lz Frankfurt
Nach Ansicht von Bundesbankpräsident Joachim Nagel geht die Einführung des digitalen Euro viel zu langsam voran. Denn seines Erachtens ist die Gefahr groß, dass die USA mit neuen Dollar-Stablecoins bis dahin ihre Währungsdominanz ausweiten und damit zugleich den Standort sowie die Souveränität Europas schwächen. Um der Dollarisierung zu begegnen, müssten die Europäer mehr Tempo machen bei der eigenen digitalen Währung, zumal diese für alle Bereiche der Wirtschaft große Vorteile verspricht und den Standort Europa insgesamt stärke, sagte er in einer Rede beim Managerkreis Rhein-Main der Friedrich-Ebert-Stiftung am Montagabend.

picture alliance / BMF/photothek.de | Kira Hofmann
Stablecoins sind digitale Token privater Emittenten, die auf Wertstabilität abzielen, weshalb sie an Vermögenswerte wie Staatsanleihen und Bankeinlagen gebunden sind. Damit könnten dann etwa programmierte Zahlungen für Nicht-Banken unmittelbar und automatisiert ablaufen, wie Nagel darlegte, was es andernorts „so nicht gibt“. Mit dem „Genius Act“ hatte US-Präsident Donald Trump nun eine Regulierung vorgelegt, mit der die Dominanz von Dollar-Stablecoins digital ausgebaut wird. Dieser „Coin“ ist durch US-Staatsschulden gedeckt, was wiederum die Nachfrage an Dollar steigert und damit auch die Währung insgesamt stärkt.
Der Markt für Stablecoins wächst
Trotz der durchaus vorhandenen Risiken wie Firesales mit Ausstrahleffekten auf Geld- und Anleihemärkte, die Nagel durchaus einräumte, sind ihm zufolge mit Stablecoins auch eine ganze Reihe von Chancen verbunden, weil sie etwa automatisierte Zug-um-Zug-Geschäfte ermöglichten, was bestehende Strukturen sinnvoll ergänzen würde. Stablecoins hätten bislang zwar nur eine begrenzte Bedeutung, „doch der Markt wächst“.
Zwischen den Zeilen scheint Nagel zu fürchten, dass die USA Europa mit den Stablecoins in vielen Sektoren den Rang ablaufen könnten, weil der Zahlungsraum nicht schnell genug mit einem eigenen digitalen Angebot konkurrieren kann. Die Marktteilnehmer könnten sich dann bereits auf US-Coins festgelegt haben fürchtet er. „Möglichst schnelles Handeln ist nötig, damit die Marktteilnehmer nicht auf Alternativen ausweichen“, warnte Nagel deshalb.
Europa setzt auf Zentralbankgeld
Anders als die USA setzt Europa indes nicht auf Stablecoins sondern auf ein „digitales Zentralbankgeld“. In einer Retail-Variante könnten die Bürger es für „sämtliche elektronische Zahlungen jederzeit nutzen“, in einer Wholesale-Variante würde es dazu dienen, Transaktionen zwischen Finanzinstituten auf Basis neuer Technologien abzuwickeln. Nagel hob die effizienteren und schnelleren Abwicklungsprozesse, den höheren Automatisierungsgrad, die Programmierbarkeit und die geringeren Kosten sowie niedrigeren Abwicklungsrisiken hervor. Durch beide Varianten ließe sich „die Resilienz, Autonomie und Effizienz des Euroraums im Zahlungsverkehr fördern“, betont er.
Mit dem digitalen Euro, warb Nagel, würde Europa bei einer kritischen Infrastruktur unabhängiger, was angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen und Unsicherheiten „wichtiger denn je“ erscheine. Entscheidend sei daher, beklagt Nagel, dass „die Verantwortlichen in Brüssel möglichst zügig die nötige Gesetzgebung verabschieden“. Denn aus heutiger Sicht ließe sich der digitale „wohl nicht vor 2028 implementieren“.