Bundesregierung schummelt bei Investitionen
Bundesregierung schummelt bei Investitionen
Koalition schummelt bei Investitionen
Ifo-Institut kritisiert die Umwidmung von eher konsumtiven Zuschüssen als produktive Zukunftsausgaben
Wenn die Bundesregierung von Investitionsausgaben redet und sie in den Haushalt einstellt, hat sie andere Vorstellungen davon als Unternehmen. Es geht weniger um produktive Ausgaben, sondern um Zuschüsse und Kredite zu politischen Zwecken, die eher dem Gegenwartskonsum dienen als die Zukunft absichern.
Von Stephan Lorz, Frankfurt
Wenn es um „Zukunftsinvestitionen“ geht, brüstet sich die jeweilige Bundesregierung gerne, erneut „Rekordausgaben“ dafür vorzusehen. Aktuell verweist die schwarz-rote Koalition darauf, dass sie für den nächsten Bundeshaushalt 2026 jenseits der Ausgaben aus dem Sondervermögen den Investitionsanteil auch im Kernhaushalt auf 10% der bereinigten Ausgaben hält. Wie das Ifo-Institut in einer Analyse der Finanzplanungen nun aber kritisiert, mogelt die Bundesregierung an einer entscheidenden Stelle: der Begriff der „Investitionsausgaben“ ist schwammig und verdeckt eine Reihe von Ausgaben, die man eigentlich nicht unter „Investitionen“ summieren kann.
Im Bundeshaushalt 2026 gebe es „erhebliche Unschärfen“, schreiben die Ökonomen. Zwar seien im kommenden Jahr 56,1 Mrd. Euro unter der Kategorie „Investitionen“ verbucht, nach 62,7 Mrd. Euro im Jahr 2025. Doch ein großer Teil dieser Mittel entfalle auf Posten, „deren investiver Charakter eher zweifelhaft“ sei. Ifo-Forscherin Emilie Höslinger: „Viele der im Haushalt als Investitionen bezeichneten Ausgaben sind in Wahrheit keine produktiven Zukunftsausgaben, sondern verdeckte Zuschüsse“.
Sozialversicherung als „Investition“?
Unter den zehn größten Investitionsposten 2026 – sie summieren sich auf 24,4 Mrd. Euro und damit 43,1% der gesamten Investitionsausgaben – finden sich der Studie zufolge zahlreiche Positionen, die nicht dazu dienen, Infrastruktur aufzubauen oder zu erhalten. 7,6 Mrd. Euro sind etwa Darlehen an die Sozialversicherungen und 6,85 Mrd. Euro gehen für internationale Hilfen, Gewährleistungen und Entschädigungen drauf.

Nach den Ifo-Berechnungen fließen unter den zehn größten Investitionsposten (24,4 Mrd. Euro) tatsächlich nur rund 5,8 Mrd. Euro in Infrastrukturinvestitionen wie Autobahnen und Schienenwege. Weitere 2,65 Mrd. Euro sind für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen. Zudem werden 1,5 Mrd. Euro als „Vorsorge Ausgabereste Investitionen“ verbucht – eine buchhalterische Kategorie, mit der nicht verausgabte Mittel aus dem Vorjahr die Investitionsquote erhöhen.
Bauinvestitionen entscheidend
„Der Rückgang klassischer Bauinvestitionen zeigt deutlich, dass der Bund seine Investitionsstatistik zunehmend durch Sondereffekte aufbläht“, erklärt Höslinger. Vor der Pandemie machten Baumaßnahmen noch rund 20% der investiven Ausgaben aus; 2025 und 2026 sind es nur noch etwa 10%. Zuwächse verzeichnen dagegen kreditfinanzierte Posten, die von der Schuldenbremse ausgenommen sind wie Darlehen an Sozialversicherungen oder Deutsche Bahn. „Die vielen und zum großen Teil nicht eindeutig benannten Positionen, es sind mehr als 700, verzerren das Bild staatlicher Investitionstätigkeit und erschweren eine ehrliche Diskussion über die Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Finanzen“, so Höslinger.
Auch das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hatte zuletzt den aufgeweichten Investitionsbegriff der Bundesregierung scharf kritisiert. Auch die Kölner Wissenschaftler monieren, dass die vorgeschriebene Investitionsquote nur mit Hilfe von Kunstgriffen eingehalten werde. So lasse der Bund etwa kreditfinanzierte Verteidigungsausgaben bei der Berechnung außen vor, sonst läge die Quote unter 10%. In der Vergangenheit hatte man es immerhin geschafft, dass die Quote um mindestens einen Prozentpunkt darüber gelegen hatte. „Bei einer Mindestquote von 11% müssten die Investitionen des Bundes pro Jahr rund 5 Mrd. Euro mehr betragen“, heißt es in dem IW-Bericht.
Mit „Sondereffekten“ argumentiert
„Insgesamt müsste der Bund bei restriktiveren Vorgaben für kreditfinanzierte Verteidigungsausgaben und Investitionsquote zwischen 2025 und 2029 rund 60 Mrd. Euro mehr im Kernhaushalt investieren, um erst auf das Sondervermögen zugreifen zu können“, schreibt IW-Forscher Hentze weiter.
Insgesamt fährt der Bund nach der Analyse des IW sowie auch anderer Wirtschaftsforschungsinstitute die Investitionen im Kernhaushalt zwischen 2025 und 2029 um 34 Mrd. Euro zurück. Die Bundesregierung begründet dies mit Sondereffekten, etwa bei sogenannten finanziellen Transaktionen, bei denen der Bund zum Beispiel der Bahn mehr Kapital bereitstellt. Laut IW lässt sich der Rückgang dadurch aber nicht in Gänze rechtfertigen. Zudem würden aus dem Klima- und Transformationsfonds, einem weiteren Sondertopf, nicht nur Investitionen finanziert. „Dadurch mindert die Politik das Wachstumspotenzial des Sondervermögens“, so IW-Forscher Tobias Hentze.
Was eine Investition ist und was nicht, ist in der Bundeshaushaltsordnung festgelegt. Dazu zählen Baumaßnahmen mit Ausnahme militärischer Anlagen sowie die Anschaffung von „beweglichen“ und „unbeweglichen“ Sachen – das wären etwa Fahrzeuge oder neue Gebäude. Aber auch der Erwerb von Unternehmensbeteiligungen und Kreditvergabe ist explizit als Investition aufgeführt.
Dagegen zählen in der Wirtschaftswissenschaft zu Investitionen hingegen nur Ausgaben für langlebige Wirtschaftsgüter, deren Anschaffung sich am Ende in Form höherer Wirtschaftsleistung und größerer Produktivität bezahlt macht. Insofern müsste wohl auch die Bundeshaushaltsordnung angepasst werden, um den Investitionsbegriff mehr auf die Zukunft ausgerichtet neu zu definieren – schon um der nächsten Generation eine wirtschaftliche Perspektive zu geben.
