Bundesregierung startet ihr Bürokratieabbau-Programm
Bundesregierung startet ihr Bürokratieabbau-Programm
Bundesregierung startet Bürokratieabbau-Programm
Ministerien identifizieren mehr als 50 Einzelmaßnahmen – 3 Mrd. Euro Entlastungen schon erreicht – Wirtschaft macht Druck
ahe Berlin
Die Bundesregierung hat sich auf mehr als 50 konkrete Eckpunkte zum Bürokratieabbau verständigt. Das Paket, das am Mittwoch vom Kabinett beschlossen wurde, soll in den nächsten Monaten gesetzlich umgesetzt werden. Laut einem Regierungssprecher wird es Entlastungen von „mehreren Milliarden Euro“ bringen. Die Regierung habe damit nun einen konkreten Plan für langfristigen Bürokratierückbau, betonte der für Digitales und Staatsmodernisierung zuständige Minister Karsten Wildberger. „Damit schalten wir das Entlastungspaket scharf – in Umfang, Struktur und Konsequenz ist das ein Ergebnis, wie Deutschland es seit vielen Jahren nicht erlebt hat.“
Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) stellte klar, dass unnötige Prüf-, Melde- und Anzeigenpflichten gestrichen würden, es aber keine Abstriche beim Verbraucher- und Anlegerschutz gebe. Das Finanzministerium will insbesondere beim Zoll sowie in den Bereichen Steuerdigitalisierung und Finanzmarktregulierung zum neuen Bürokratierückbau-Paket beitragen. Im Koalitionsvertrag war bereits festgelegt worden, dass die Wirtschaft bis zum Ende der Legislaturperiode um 25% der Bürokratiekosten und damit rund 16 Mrd. Euro entlastet wird.
Sofortmaßnahmen bringen 100 Mill. Euro Entlastungen
Das Kabinett beschloss am Mittwoch bereits acht konkrete Maßnahmen, die unmittelbar umgesetzt werden und mindestens 100 Mill. Euro an Entlastung bringen. Das Wirtschaftsministerium sprach sogar von 157 Mill. Euro. Aufgehoben wird unter anderem die Pflicht zur regelmäßigen Weiterbildung von Immobilienmaklern und Wohnimmobilienverwaltern, zur Anbringung von Etiketten durch den zuständigen Bezirksschornsteinfeger – das sogenannte Heizungslabel – sowie die Pflicht der Betreiber von Übertragungsnetzen, jährlich einen Bericht zur technischen Durchführbarkeit, Wirtschaftlichkeit und den Umweltauswirkungen vorzulegen. Immobilienkäufe sollen durch die Digitalisierung der Verträge einfacher und schneller möglich sein. Zudem müssen künftig nur noch Unternehmen ab 250 (bisher 50) Mitarbeitern einen Sicherheitsbeauftragten ernennen.
Normenkontrollrat unzufrieden
Der Normenkontrollrat zeigte sich mit den Sofortmaßnahmen eher unzufrieden. „Im Vergleich zu anderen Kabinettssitzungen dieser Legislaturperiode ist dies eher ein durchschnittliches Ergebnis“, erklärte der NKR-Vorsitzende Lutz Goebel mit Blick auf die 100 Mill. Euro. Er sieht die Ursache hierfür unter anderem darin, dass nicht alle Ressorts ausreichend zugeliefert haben. Um die Rückbauziele für Bürokratiekosten und Erfüllungsaufwand in dieser Legislaturperiode zu erreichen, bräuchte die Koalition so noch „mindestens weitere 100 Entlastungskabinette“.
Auch aus der Wirtschaft kamen zahlreiche eher skeptische Kommentare. Die Koalition habe sehr viel angekündigt. Dem stehe bisher aber wenig gegenüber, was schon tatsächlich umgesetzt und für die Unternehmen spürbar sei, kritisierte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. Dabei lägen Vorschläge aus der Praxis „zu Hunderten auf dem Tisch“. Und Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer beim Chemieverband VCI, ergänzte, die Wirtschaft verliere die Geduld. „Der Bürokratieinfarkt ist nahe“, warnte er. „Wir brauchen jetzt den Beweis, dass unter dieser Regierung alles anders ist.“
„Eher Nagelschere als Kettensäge“
Die Kabinettsbeschlüsse sind auch nach Einschätzung von Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) „eher Nagelschere als Kettensäge“. Mut mache immerhin, dass erstmals das Arbeitsministerium spürbare Entlastungen gerade für kleinere und mittlere Unternehmen in Aussicht stelle, so Hüther. Für eine wirkliche Entlastung müssten aber Verwaltungen anders arbeiten – mit effizienteren Prozessen, digitaler, pragmatischer und mit mehr Ermessensspielräumen. Das Mentalitätsproblem lasse sich nicht mit einer Kabinettssitzung lösen.
