Bundesregierung will Schlüsselbranche Stahl unbedingt im Land halten
Bundesregierung will Schlüsselbranche Stahl unbedingt im Land halten
Politik will Schlüsselbranche Stahl im Land halten
Gipfel im Kanzleramt: Merz will für besseren Handelsschutz kämpfen und verspricht niedrigere Energiepreise – Stahlverband warnt vor dramatischer Lage
Die Bundesregierung hat der deutschen Stahlindustrie Hilfen in ihrer derzeit „existenzbedrohenden Krise“ zugesagt. Sie will insbesondere in Brüssel die Vorschläge der EU-Kommission zu einem wirksameren Außenhandelsschutz vorantreiben und sich für zusätzliche Strompreiskompensationen einsetzen.
ahe Berlin
Die Bundesregierung sieht in der Stahlindustrie eine „Schlüsselbranche“ für die deutsche Wirtschaft und will darum kämpfen, sie im Land zu halten. Bei einem Gipfeltreffen mit Vertretern der Branche, der Bundesländer und von Gewerkschaftern setzten sich sowohl Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) als auch Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) für einen stärkeren Protektionismus zugunsten der Stahlindustrie sowie neue Handelsbarrieren ein.
Merz räumte nach dem Treffen im Bundeskanzleramt ein, dass er seine früheren Plädoyers für offene Märkte in diesem Fall nicht mehr halten könne. Die Zeiten hätten sich geändert. „Wir müssen jetzt unsere Märkte und unsere Hersteller schützen.“ Klingbeil betonte, die eigene Stahlindustrie zu halten, sei auch eine Frage der Resilienz der Volkswirtschaft. Auch er sei weiterhin von offenen und freien Märkten und einem regelbasierten Handel überzeugt. „Aber wir dürfen am Ende nicht die Dummen sein.“
Neue Abhängigkeiten für die deutsche Wirtschaft vermeiden
Ähnlich äußerte sich auch der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, der die Lage in der Branche als „dramatisch“ bezeichnete. Deutschland habe kritische Wertschöpfungsketten im Land und müsse diese erhalten, sagte er unter Verweis auf schon bestehende Abhängigkeiten in der deutschen Wirtschaft, etwa bei Düngemitteln oder Antibiotika. Beim Stahl dürfe man die gleichen Fehler nicht noch einmal machen.
Konkret vereinbart wurde, dass sich die Bundesregierung in Brüssel für eine robuste Nachfolgeregelung der am 30. Juni 2026 auslaufenden Safeguards für die Branche einsetzen wird. Dabei geht es insbesondere um den Schutz vor subventionierten chinesischen Stahlimporten.
Strompreissenkung unverzichtbar
Die Bundesregierung will die von der EU-Kommission vor einem Monat vorgelegten Vorschläge unterstützen, die geringere Importkontingente und höhere Einfuhrzölle bei zusätzlichen Mengen vorsehen. Auch dringt die Bundesregierung auf rasche Erleichterungen bei den US-Zöllen auf Stahl und Aluminium und unterstützt auch die in der EU vorgesehenen Nachbesserungen beim Grenzausgleichsmechanismus CBAM.
Versprochen wurden der Branche zugleich weitere Reduzierungen der Energiekosten. „Ohne eine wirksame Absenkung der Strompreise ist diese Industrie nicht überlebensfähig“, formulierte es Merz drastisch. Schwarz-Rot setzt dabei zum einen auf den Industriestrompreis, der für die Jahre 2026 bis 2028 eingeführt werden soll und über den aktuell noch in Brüssel verhandelt wird. Zugleich soll die derzeitige Strompreiskompensation, die von Seiten der Bundesregierung als noch wichtiger für die Stahlbranche eingeschätzt wird, ausgeweitet werden. Klingbeil kündigte an, sich bei der EU-Kommission dafür einzusetzen, dass Unternehmen künftig beide Instrumente nutzen dürfen. Bisher gibt es in der EU ein sogenanntes Doppelförder-Verbot. Das heißt, es darf entweder der Industriestrompreis oder die Strompreiskompensation genutzt werden, aber nicht beide Hilfen.
Deutsche Bahn bestellt grünen Stahl
Sowohl die IG Metall als auch die Wirtschaftsvereinigung Stahl drangen am Donnerstag darauf, dass heimischer grüner Stahl zumindest bei der öffentlichen Beschaffung Vorrang haben sollte. Dies wurde auch von Bundeskanzler Merz unterstützt, der lobend auf die Deutsche Bahn verwies. Diese hatte in dieser Woche einen Liefervertrag von 1.000 Tonnen grünem Stahl mit Saarstahl Rail abgeschlossen.
Allgemeine Zufriedenheit
Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzende der IG Metall, betonte, die Probleme der Stahlindustrie seien jetzt nicht plötzlich gelöst. Aber es gebe ein gemeinsames Verständnis. „Wir sind einen guten Schritt weiter.“ Er selbst habe nach diesem Gipfel erstmals die Hoffnung, dass der Patient Stahlindustrie den derzeitigen „Schockraum“ auch lebend wieder verlassen könne.
Deutschlands Stahlindustrie ist mit einer Jahresproduktion von gut 37 Millionen Tonnen das größte EU-Stahlland. Rund 5,5 Millionen Arbeitsplätze hängen an stahlintensiven Wertschöpfungsketten in Zuliefer- und Abnehmerbranchen.
