Mindestlohn

Bundestag beschließt Mindestlohn von 12 Euro

Die Mindestlohn-Erhöhung auf 12 Euro ab Oktober ist beschlossene Sache. Der Bundestag stimmte Heils Vorschlag zu. Kritik kommt von den Arbeitgebern – die sich eine Klage in Karlsruhe vorbehalten.

Bundestag beschließt Mindestlohn von 12 Euro

ast Frankfurt

Die umstrittene Mindestlohn-Erhöhung auf 12 Euro ab Oktober ist beschlossen. Der Bundestag stimmte dem Gesetzvorschlag von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Freitag zu. Während die Gewerkschaften jubeln, haben die Arbeitgeber bereits vor dem parlamentarischen Verfahren zwei Rechtsgutachten erstellen lassen, die die Verfassungsmäßigkeit der Erhöhung anzweifeln – und behalten sich die Möglichkeit einer Klage in Karlsruhe vor.

„Diese Erhöhung auf 12 Euro ab dem 1. Oktober, das ist für sechs Millionen Menschen, vor allem für viele Frauen und viele Menschen in Ostdeutschland, möglicherweise der größte Lohnsprung in ihrem Leben, um 22%“, sagte Heil. Mit der Erhöhung löst die SPD zudem eines ihrer zentralen Wahlkampfversprechen ein. „Wer bisher Vollzeit auf Basis des Mindestlohns brutto 1700 Euro verdient­, der kriegt zukünftig 2100 Euro“, sagte Heil. „Das ist immer auch noch nicht die Welt, aber es ist spürbar im Portemonnaie.“

Für die Anhebung des Mindestlohns von 10,45 Euro (ab 1. Juli) auf 12 Euro stimmten die Abgeordneten der Ampel-Regierung und die Linke. Von dieser kam aber auch Kritik. Angesichts der explodierenden Preise sagte Linken-Haushaltsexpertin Gesine Lötzsch: „Eigentlich müssten es jetzt schon 13 Euro sein.“ Die Unionsfraktion enthielt sich. CDU-So­zi­al­experte Hermann Gröhe warf der Koalition chaotisches Stimmengewirr vor, wenn es darum gehe, die Preissteigerungen einzudämmen.

Inkonsistenz wirft DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell wiederum der größten Oppositionspartei vor. „Mit wehenden Fahnen pro 12 Euro ist die Union in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen in die Wahlkämpfe gezogen, doch bei der entscheidenden Abstimmung im Bundestag will man sich nun enthalten“, sagte Körzell der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Er hoffe, die Wähler merkten sich diesen „Schlingerkurs“.

Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) wird seit Monaten nicht müde, Stimmung gegen die Erhöhung zu machen. Bereits kurz nach der Ankündigung der Erhöhung im Dezember gab sie Rechtsgutachten in Auftrag, die einen Angriff auf die verfassungsrechtlich festgesetzte Tarifautonomie feststellen. Diese sieht vor, dass Tariflöhne zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Tarifverhandlungen ausgehandelt werden. Eine Empfehlung für eine Lohnuntergrenze gibt zudem die Mindestlohn-Kommission, in der die Sozialpartner vertreten sind, alle zwei Jahre. Diesen Mechanismus sieht die BDA nun ausgehebelt. BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter sprach von einem „Staatslohn“. Zudem zweifelt die Arbeitgeberseite an der „Einmaligkeit“ der staatlich gewollten Erhöhung. Sie fürchtet, dass diese künftig zum Spielball von Politik und Wahlkampf werden könne und die Kommission an Einfluss verliert.

Die Arbeitgeber behalten sich nach wie vor eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor. Der SPD-Politiker Bernd Rützel, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales, sieht dem weitgehend entspannt entgegen. Er sehe wenig Aussicht auf Erfolg einer solchen Klage, sagte Rützel der Börsen-Zeitung. Heil kündigte zudem ein Tariftreuegesetz für den Bund an. Der Mindestlohn sei nur eine Untergrenze. Die Bundesregierung wolle auch mehr Tariflöhne. „Deshalb werden wir dafür sorgen, dass Aufträge des Bundes zukünftig nur an Unternehmen gehen, die nach Tarif bezahlen“, sagte Heil. „Das ist klar verankert im Koalitionsvertrag.“ Im Vertragswerk der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP heißt es dazu: „Zur Stärkung der Tarifbindung wird die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche gebunden.“ Bisher hat die Bundesregierung dazu aber keinen Vorschlag gemacht.

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