NOTIERT IN WASHINGTON

Chaos und Maulwürfe im Weißen Haus

Mit dem erzwungenen Rücktritt von Donald Trumps Nationalem Sicherheitsberater Michael Flynn hat der neue Präsident weniger als vier Wochen nach seinem Amtsantritt seinen ersten wichtigen Berater verloren. Zwar hoffte Trump mit der baldigen Ernennung...

Chaos und Maulwürfe im Weißen Haus

Mit dem erzwungenen Rücktritt von Donald Trumps Nationalem Sicherheitsberater Michael Flynn hat der neue Präsident weniger als vier Wochen nach seinem Amtsantritt seinen ersten wichtigen Berater verloren. Zwar hoffte Trump mit der baldigen Ernennung eines Nachfolgers, den Fall zu den Akten zu legen. Mit dem Debakel um Flynn, gegen den die Geheimdienste offenbar seit längerer Zeit ermitteln, beginnt die Regierung aber langsam im Chaos zu versinken. Nun wurde obendrein bekannt, dass Trumps Wahlkampfteam bereits während der Präsidentschaftskampagne regelmäßige Kontakte zu russischen Geheimdiensten pflegte. Die Dysfunktionalität führt dazu, dass im Weißen Haus interne Machtkämpfe ausgefochten, Intrigen gesponnen und vertrauliche Informationen von desillusionierten Mitarbeitern in jenen herkömmlichen Medien lanciert werden, die Trump zur “Oppositionspartei” gestempelt hat.Zwar tun Pressesprecher Sean Spicer und Beraterin Kellyanne Conway, was sie können, um sich und den Präsidenten gegen knifflige Reporterfragen abzuschotten. Bei Pressekonferenzen kommen vor allem rechtsgerichtete Medien, die weiche Fragen stellen, zum Zuge. Nur so konnte Trump bei dem gemeinsamen Auftritt mit dem kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau brisanten Fragen über den Flynn-Skandal aus dem Weg gehen. Auch werden bei Spicers täglichen Auftritten im Presseraum des Weißen Hauses via Skype Reporter konservativer, lokaler Medien zugeschaltet. Sie stellen abgesprochene Fragen, auf die Spicers Antworten einstudiert wirken.Ungeachtet der Ablenkungsmanöver und der Verbreitung jener “alternativen Fakten”, die faktisch nichts anderes als Lügen sind, stoßen Trumps Bemühungen, ein striktes Regiment zu führen, an ihre Grenzen. Bald nach seinem Amtsantritt berichteten Medien zum Entsetzen des Weißen Hauses über einen gescheiterten Militäreinsatz in Jemen, bei dem ein US-Soldat und mehrere Zivilisten ums Leben kamen. Ziel der Razzia war es, in den Besitz von Festplatten leitender Al-Kaida-Funktionäre zu gelangen.Auch gelangten herkömmliche Medien wie CNN, die “New York Times” und andere in den Besitz sensibler Informationen, die zur langsamen, aber sicheren Demontage des Nationalen Sicherheitsberaters führten. Hätte die Öffentlichkeit nie erfahren, dass Flynn Vizepräsident Mike Pence offenbar angelogen hatte, als er zunächst bestritt, dem russischen Botschafter in Washington Sanktionslockerungen in Aussicht gestellt zu haben, hätte Trump womöglich an Flynn festgehalten. Schließlich gilt der Präsident als unerschütterlicher Loyalist, vor allem dann, wenn ihm jemand so lange treu zur Seite stand wie der umstrittene Generalleutnant.Die Lecks haben Trump mittlerweile dermaßen irritiert, dass er via Twitter laut darüber nachdenkt, warum Mitarbeiter so indiskret sind und wo die undichten Stellen sein könnten. Viele meinen, dies sei nichts anderes als eine verkappte Drohgebärde seitens des Präsidenten, der sicherlich rabiat gegen Mitarbeiter vorgehen würde, die ihm in den Rücken fallen. Die Maulwürfe im Weißen Haus erinnern jedenfalls an jenen legendären Informanten “Deep Throat”, der während der Watergate-Krise zwei “Washington-Post”-Korrespondenten Informationen zuspielte, die schließlich zum Rücktritt von Präsident Richard Nixon führten.Kaum verwunderlich ist daher, dass sich im West Wing große Verunsicherung und Nervosität breitmachen. Stabsmitarbeiter haben Angst, beim Präsidenten in Ungnade zu fallen. Um jeden Preis wollen sie den Eindruck vermeiden, sie wirkten “schwach”, erschöpft oder unschlüssig – alles Eigenschaften, die Trump angeblich verabscheut. Wie Regierungsangestellte US-Medien mitteilten, ist das Betriebsklima von Intriganz geprägt. Man spekuliert darüber, wer der oder die Maulwürfe sein könnten, wen Trump im Verdacht haben und wem die nächste Entlassung drohen könnte. Einige kommunizieren nur noch über die geheime App “Confide”, die SMS-Botschaften in derselben Sekunde löscht, in der sie gelesen wurden. “Heilloses Chaos, anders kann man das nicht beschreiben”, sagte ein West-Wing-Mitarbeiter. “Wenn das so weitergeht, dann wird es noch ein richtiges Köpferollen geben.”