Abhängigkeit

China dominiert nur in Einzelfällen

Deutschland ist weniger stark von chinesischen – direkten oder indirekten – Importen abhängig, als die Außenhandelsstatistik vermuten lässt. Bei einzelnen Produkten und Rohstoffen allerdings sieht die Sache anders aus.

China dominiert nur in Einzelfällen

ba Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft ist einer Studie des IfW Kiel zufolge gar nicht so stark von chinesischen Importen abhängig, wie Handelsstatistiken andeuten. Nur ein äußerst kleiner Teil der deutschen Produktion hänge direkt oder indirekt von chinesischen Vorleistungen ab – der mit Abstand größte Teil entstamme deutschen Eigenleistungen. „Allerdings dominiert China bei einzelnen Rohstoffen und Produkten den Weltmarkt sowie die deutsche Versorgung und könnte als Lieferant kurzfristig nicht ersetzt werden“, heißt es in der Studie „Leere Regale made in China: Wenn China beim Handel mauert“ des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel). Insgesamt werden 221 Produkte – insbesondere im Bereich Elektronik – identifiziert, bei denen China und das durch Peking beanspruchte Taiwan ge­meinsam den deutschen Import dominieren. Bei der Mehrzahl der Produkte liegt der Importanteil beider Länder bei mehr als 80%.

Zu den für die deutsche Wirtschaft unabdingbaren Waren, bei denen die Abhängigkeit besonders hoch ist, zählen mit einem Importanteil von rund 80% Laptops und Mobiltelefone (68%, siehe Grafik). Einige der für die Produktion von Spezialtechnologie wichtigen und von der EU als kritisch eingestuften seltenen Erden und Rohstoffe wie Scandium oder Antimon bezieht Deutschland zu 85% und mehr aus China. Sie kommen etwa in der Batterieproduktion oder Oberflächenbeschichtung zum Einsatz. Äußerst hoch ist die Abhängigkeit von China auch bei einigen Medizinprodukten, etwa Atemschutzmasken oder Schmerzmitteln mit Importanteilen von teils mehr als 90%.

„Um die Versorgungssicherheit in Bezug auf kritische Rohstoffe sowie Vor- und Endprodukte zu gewährleisten, braucht Deutschland dringend eine Strategie für mehr Diversifizierung“, mahnt Mitautor Alexander Sandkamp. Dies wäre nicht nur die richtige Antwort auf zunehmende geopolitische Rivalitäten, sondern diene vor allem auch der Absicherung gegen Lieferengpässe.

Abgesehen von den kritischen Vorleistungen sei die Bedeutung Chinas für die deutsche Wirtschaft „aber überraschend gering“. Nur etwa 0,6% der für die Produktion nötigen direkten Vorleistungen stammen aus China. Wichtiger seien sowohl die USA (0,8%) als auch Frankreich (0,7%). Der Anteil Chinas steigt aber auf 1,5%, bezieht man die indirekten Vorleistungen aus Drittländern mit ein, die dort mit Hilfe chinesischer Vorprodukte hergestellt werden. Die Abhängigkeit des Konsums von China-Importen ist zwar doppelt so hoch wie die der Produktion – der Studie zufolge aber dennoch nur von untergeordneter Bedeutung. Direkt stammen 1,4% der in Deutschland konsumierten Leistungen aus China, unter Berücksichtigung indirekter Verflechtungen sind es 2,7%.

China war 2022 zum siebten Mal in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner. 2022 wurden laut Statistikamt Destatis Waren im Wert von 297,9 Mrd. Euro zwischen beiden Ländern gehandelt – deutschen Exporten von rund 107 Mrd. Euro stehen Importe aus China von 191 Mrd. Euro gegenüber, das sind knapp 12% aller deutschen Importe. Aus den USA stammen gut 6%, aus Frankreich gut 5%. Langfristig würde dem IfW Kiel zufolge eine Entkopplung der EU von China – also eine Reduktion des Handels um 97% – die deutsche Wirtschaftsleistung dauerhaft um 1% reduzieren. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt 2021 entspräche das einer entgangenen Wertschöpfung von 36 Mrd. Euro pro Jahr.

Wertberichtigt Seite 2