NOTIERT IN NEW YORK

Comedian Summer

Bald ist es wieder so weit. Im Nordosten der USA steht der sprichwörtliche "Indian Summer" vor der Tür. Auch in Manhattan rechnet man fest mit einer trockenen und warmen Wetterperiode im Spätherbst. Denn Jahr für Jahr macht sich nach den ersten...

Comedian Summer

Bald ist es wieder so weit. Im Nordosten der USA steht der sprichwörtliche “Indian Summer” vor der Tür. Auch in Manhattan rechnet man fest mit einer trockenen und warmen Wetterperiode im Spätherbst. Denn Jahr für Jahr macht sich nach den ersten Nachtfrösten regelmäßig noch einmal warme Luft aus dem Süden und dem Südwesten der Vereinigten Staaten breit und sorgt bis hoch nach Neuengland für steigende Temperaturen, strahlend blauen Himmel und eine intensive Blattfärbung in den weit verbreiteten Laub- und Mischwäldern. In den meisten Jahren bleibt diese Wetterlage über Wochen stabil, bis ein atlantisches Tiefdruckgebiet mit der zugehörigen Kaltfront für einen Wetterumschwung sorgt. *Das Jahr 2016 zeichnet sich noch durch ein anderes Phänomen aus, das seit dem Sommer stabil ist und weit in den Herbst reichen dürfte. Denn die Moderatoren von Comedy Shows und Late-Night-Unterhaltung im TV machen Front gegen Donald Trump als möglichen nächsten US-Präsidenten. Ob Samantha Bee in ihrer Show “Full Frontal” auf TBS, Trevor Noah in der “Daily Show” auf Comedy Central, John Oliver mit “Last Week Tonight” auf HBO, Stephen Colbert als Moderator der “Late Show” von CBS, Jimmy Kimmel während “Jimmy Kimmel Live” auf ABC oder Seth Meyers mit “Late Night” auf NBC – sie alle bringen sich nicht nur mit beißendem Spott, sondern auch mit aufwendig recherchierten Hintergründen regelmäßig gegen Trump in Stellung, spätestens seit sich abzeichnete, dass der Immobilienmogul als Präsidentschaftskandidat der Republikaner nominiert wird. Das Ensemble der seit 41 Jahren ausgestrahlten NBC-Show “Saturday Night Live” läuft im Wahlkampf ebenfalls zur Höchstform auf. Die Persiflage auf die erste TV-Debatte der Präsidentschaftskandidaten in der vergangenen Woche, mit dem Schauspieler Alec Baldwin in der Rolle des republikanischen Präsidentschaftsanwärters, gab eine der bisher wohl besten Parodien auf “The Donald” in der laufenden Kampagne zum Besten. Der “Comedian Summer” dürfte mindestens bis zum Wahltag am 8. November weitergehen und die Zuschauer – soweit sie dem Lager der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton zuzurechnen sind – mit Pointen und Punchlines erwärmen. *Ob die TV-Hosts mit ihren Darbietungen auch die politische Großwetterlage verändern können, darf bezweifelt werden. Denn ihr Einfluss schwindet. Jimmy Fallon, der nach einem Gastauftritt von Trump in seiner “Tonight Show” auf NBC im September heftig kritisiert wurde, weil er den Unternehmer nur mit Samthandschuhen anpackte, – einmal abgesehen davon, dass er Trump mit dessen Einverständnis wild durch die Haare fuhr, um dem Geheimnis seiner Frisur auf die Spur zu kommen – bringt es durchschnittlich auf 3,7 Millionen Zuschauer. Ein Spitzenwert unter den Late-Night-Formaten und doch nicht viel mehr als eine Fußnote. Außerdem gilt für Comedy in besonderem Maße das, was in den USA längst auch für Nachrichten gilt. Wer einschaltet, tut das in erster Linie, um sich in seinen Überzeugungen bestätigt zu sehen, nicht um sie mit differenzierten Darstellungen herauszufordern. Jedes Lager hat seine politischen Kommentatoren (“Pundits”), wobei Comedy und Nachrichten nicht immer klar zu unterscheiden sind. *Das Wetter ist halt so, wie man es vom eigenen Fenster aus sieht. Soziale Medien, die ihren Nutzern verlässlich nur das liefern, was sie gemäß ihrem bisherigen Verhalten im Internet interessieren könnte, spielen im Wahlkampf deshalb eine mindestens so wichtige Rolle wie arrivierte Medien und Formate. Nicht nur, weil ein Pundit wie Tomi Lahren, die besonders laut gegen Hillary Clinton wettert, mit ihrem Kommentar zur ersten TV-Debatte der Kandidaten auf Facebook mal eben 14 Millionen Klicks anzieht. Sondern auch, weil die Internetkonzerne es den Kampagnen ermöglichen, die Wähler immer genauer zu vermessen und mit maßgeschneiderten Botschaften an die Urne zu locken. Die Wetteraussichten für den politischen Diskurs sind trübe.