NOTIERT IN PARIS

Comics kennen keine Krise

In Angouleme im Südwesten Frankreichs gaben sich Comic-Fans ein Stelldichein. Die 42 000 Einwohner starke Gemeinde gilt als Hauptstadt der Comic-Kultur, wenn dort Ende Januar das alljährliche Comic-Festival mit Ausstellungen, Konferenzen und...

Comics kennen keine Krise

In Angouleme im Südwesten Frankreichs gaben sich Comic-Fans ein Stelldichein. Die 42 000 Einwohner starke Gemeinde gilt als Hauptstadt der Comic-Kultur, wenn dort Ende Januar das alljährliche Comic-Festival mit Ausstellungen, Konferenzen und Signierstunden stattfindet.Comics gehören zur französischen Lebensart, gelten genau wie Kinofilme als Bestandteil der nationalen Kultur. Dass die Branche eine Sonderstellung genießt, zeigt sich auch daran, dass sie sich trotz steigender Arbeitslosigkeit und sinkender Kaufkraft der Bevölkerung als krisenresistent erweist. Obwohl zahlreiche Buchhandlungen in Frankreich pleitegehen, konnte die Branche ihren Umsatz hierzulande 2013 im Vergleich zum Vorjahr laut einer vom Marktforschungsinstitut GfK veröffentlichten Studie um 1,4 % auf 417 Mill. Euro steigern. Und das, obwohl der Privatkonsum der Haushalte, der wichtigste Wachstumsmotor der französischen Wirtschaft, letztes Jahr nur 0,1 % zulegte und alle anderen Segmente der Freizeitbranche Einbrüche hinnehmen mussten. So gaben die Verkäufe von Büchern im gleichen Zeitraum um 2,9 % nach, die von Musik um 6,9 %, die von Videospielen um 7,8 % und die von Videos um 16,7 %.Dennoch geht die Krise auch an der Comic-Branche nicht ganz spurlos vorüber. Ihre Krisenresistenz dürfte sie vor allem Preissteigerungen zu verdanken haben, denn vom Volumen her nahmen die Verkäufe um 1 % auf 37 Millionen verkaufte Alben ab. Gleichzeitig war auch die Anzahl der Neuveröffentlichungen erstmals seit 17 Jahren rückläufig. So wurden nach Angaben von Gilles Ratier, dem Vorsitzenden der Vereinigung der auf Comics spezialisierten Kritiker und Journalisten ACBD, 2013 mit 3 892 neuen Titeln und mehr als 880 Neuauflagen 7 % weniger Alben veröffentlicht.Dabei ist der Anteil von Titeln, die auf eine Auflage von mehr als 50 000 Exemplaren kommen, mit 117 Bänden relativ gering. Nur knapp 1 500 Autoren im französischsprachigen Europa können laut ACBD von ihren Comics leben. Angeführt wurden die Kassenschlager von “Asterix bei den Pikten”. Mehr als 1,6 Millionen Exemplare des Titels wurden 2013 in Frankreich verkauft, obwohl der neue Band erst im Oktober auf den Markt kam. Zum Vergleich: Der erste Band des internationalen Bestsellers “Fifty Shades of Grey” kam in Frankreich im selben Zeitraum auf nur 687 500 verkaufte Exemplare.Überschattet wurde das diesjährige Comic-Festival gleich von zwei kleinen Skandalen. Zum einen protestierten rund 30 Comic-Zeichner in einem offenen Brief gegen die Sponsor-Partnerschaft der Festival-Leitung mit Soda-Stream aus Israel. Der Hersteller von Trinkwassersprudlern wird von Menschenrechtsorganisationen heftig kritisiert, da er seinen größten Produktionsstandort in einer israelischen Siedlung im besetzten Westjordanland betreibt. Aufgrund der Proteste – aber vermutlich auch unter Druck von Coca-Cola und Pepsi – weigerte sich der US-Fernsehsender Fox gerade, während der Übertragung des Super Bowl am Sonntag einen Werbespot von Soda-Stream auszustrahlen.Vor dem Festival sorgte zudem das neue Auswahlverfahren für den in Angouleme alljährlich vergebenen Comic-Preis für Kontroversen, da die Festival-Leitung der Jury inzwischen nicht mehr freie Wahl lässt, sondern eine Vorauswahl trifft. Die Hälfte der Jury, die aus den ehemaligen Preisträgern des Festivals besteht, boykottierte deshalb die Wahl.Diese fiel dann auf Bill Watterson, den Vater von Calvin und Hobbes. Der amerikanische Comic-Zeichner lebt mit seiner Familie völlig zurückgezogen in einem Vorort von Cleveland in Ohio. Er hat die berühmte Serie bereits 1995, zehn Jahre nach ihrer ersten Veröffentlichung, eingestellt und seitdem nur zwei Interviews gegeben. Er hat sich zudem stets standhaft geweigert, sich die Rechte an seinen Figuren für andere Produkte wie T-Shirts oder Grußkarten versilbern zu lassen.Die Festival-Leitung will dennoch versuchen, ihn Anfang kommenden Jahres aus seiner Zurückgezogenheit nach Angouleme zu locken, damit er als Preisträger des Vorjahresfestivals die Jury leitet. Viel Hoffnung, dass Watterson nach Frankreich kommt, macht sich die Comic-Branche aber nicht.