Creditreform erwartet mehr Insolvenzen
Creditreform erwartet mehr Insolvenzen
Creditreform erwartet mehr Insolvenzen
„Normalisierung“ statt Pleitewelle – Höhere Fallzahlen in allen Hauptwirtschaftsbereichen – Moderates Plus in Deutschland
ba Frankfurt
Bei den Unternehmensinsolvenzen in Europa ist die Trendwende eingeläutet: Die Zahl der Firmenpleiten hat 2022 wegen der kräftig gestiegenen Kosten und der Zinswende deutlich zugelegt. 2023 dürften die Zahlen weiter steigen, erwartet die Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Wie hoch der Zuwachs aber ausfalle, lasse sich nicht seriös einschätzen, sagte Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Ob das nun die lange angekündigte Insolvenzwelle wird? „Keine Welle, kein Tsunami, aber immerhin deutliche Steigerungen“, so Hantzsch. Anhand der vorhandenen Daten sei klar, dass „wir weiter zu einer Normalisierung und zu einem sukzessiven Anstieg der Unternehmensinsolvenzen kommen“. Gleiches gelte für Austritte aus dem Markt, die nicht durch Insolvenz erfolgten.
2022 hätten Inflation, Energiemangel und weitere gesamtwirtschaftliche Probleme die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Europa deutlich ansteigen lassen, heißt es bei der Wirtschaftsauskunftei. Die 139.973 registrierten Insolvenzen in Westeuropa – also von EU-14, Großbritannien, Schweiz und Norwegen – bedeuten ein Plus von 24,2% zum Vorjahr. In Osteuropa nahm die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 53,5% zu. „Das ist in Anbetracht dessen, was wir in den vergangenen Jahren gesehen haben, ein deutlicher Zuwachs“, so Hantzsch. Diese „Normalisierung“ sei eine gute Nachricht für die betroffenen Volkswirtschaften, denn der Sonderzustand könne nicht auf Dauer anhalten. Während der Coronajahre war es durch verschiedene staatliche Hilfsmaßnahmen wie etwa die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht oder die großzügige Gewährung des Kurzarbeitergeldes zu einem starken Rückgang der Insolvenzzahlen gekommen. Der kurze Wirtschaftsaufschwung nach Ende der Corona-Pandemie sei durch den Krieg in der Ukraine schnell wieder abgewürgt worden. „Die folgende Energiekrise traf die Wirtschaft praktisch unvorbereitet und mit voller Wucht“, sagte Hantzsch. Viele angeschlagene Unternehmen konnten den Mehrfachbelastungen nicht mehr standhalten.
Deutschland sei mit einem Anstieg der Fallzahlen um 3,8% „sehr moderat vertreten“, sagte Hantzsch. In Ländern mit massiver Förderung während der Coronazeit, „wo viele Unternehmen unnatürlicherweise erhalten wurden“, seien die Zahlen deutlich gestiegen. Spitzenreiter war Österreich (+59,7%), gefolgt von Großbritannien (55,9%), Frankreich (50,0%) und Belgien (41,7%). Einen Rückgang der Fallzahlen meldeten Dänemark (–6,2%), Luxemburg (–12,1%), Portugal (–18,9%), Italien (–20,6%) und Griechenland (–57,4%). Allerdings seien die Insolvenzordnungen in Europa nicht einheitlich, betonte Hantzsch. In Italien etwa gebe es „stille Heimgänger“, die nicht in der Insolvenzstatistik auftauchten, da die Unternehmen per Schließung oder Liquidation aus dem Markt gingen. Hantzsch geht aber davon aus, dass auch in Italien die Insolvenzzahl gestiegen ist.
Handel am stärksten betroffen
Dass in Westeuropa alle Hauptwirtschaftsbereiche von der Zunahme der Insolvenzen betroffen waren, bezeichnet Hantzsch als „besonders“. Im Handel (inkl. Gastgewerbe) gab es – wohl wegen der schwierigen Coronajahre und der aktuellen Konsumschwäche – 34,5% mehr Insolvenzen als im Vorjahr. Im Baugewerbe, das ziemlich unter den anziehenden Kreditkonditionen infolge der Zinserhöhungen leidet, gab es ein Plus von 24,7%, im Dienstleistungsbereich „mit seiner relativ wenig eigenkapitalhinterlegten Struktur“ einen Zuwachs von 19,9%. In der Industrie – eigentlich ein Stabilitätsfaktor – gab es 13,1% mehr Insolvenzen.
