EU-Gipfel

„Das ist alles furchtbar kompliziert“

Bundeskanzler Scholz bremst beim EU-Gipfel Versuche, der Ukraine mithilfe eingefrorener Vermögen aus Russland beim Wiederaufbau zu helfen.

„Das ist alles furchtbar kompliziert“

"Das ist alles furchtbar kompliziert"

Bundeskanzler Scholz dämpft Erwartungen an Ukraine-Hilfen via eingefrorene Vermögen aus Russland

rec Brüssel

Bundeskanzler Olaf Scholz bremst beim Versuch, eingefrorene Staatsvermögen Russlands für den Wiederaufbau der Ukraine einzusetzen. „Das ist alles furchtbar kompliziert“, sagte Scholz nach zweitägigen Beratungen beim EU-Gipfel, der vor allem im Zeichen von Streitigkeiten über die Migrationspolitik stand. Nun sei es an der EU-Kommission, „sich den Kopf zu zerbrechen“ und mit einem Vorschlag zum Umgang mit den russischen Milliarden aufzuwarten.

Es geht um rund 200 Mrd. Euro an Reserven der russischen Zentralbank, die im Zuge der Kriegs-Sanktionen in der EU blockiert sind. Seit Monaten läuft die Suche nach Wegen, das Geld für Hilfszahlungen an die Ukraine nutzbar zu machen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen kündigte nach dem Gipfel an, sich allein auf „Zufallsgewinne“ zu fokussieren, die sich bei Abwicklungshäusern wie Euroclear anhäufen. Dort sind die Milliarden großteils geparkt (siehe BZ vom 30. Juni).

Sollte sich überhaupt ein rechtlich sauberer und politisch konsensfähiger Weg finden, dürften die Summen gleichwohl überschaubar sein – zumindest gemessen am immensen Finanzierungsbedarf der Ukraine. Deren laufende Ausgaben unterstützt die EU gegenwärtig mit 1,5 Mrd. Euro pro Monat.

Diese Hilfen will Brüssel bis 2027 verstetigen. Dafür ersucht die EU-Kommission um Zustimmung für ein weiteres Hilfspaket in Höhe von bis zu 50 Mrd. Euro, das zu einem Drittel aus Zuschüssen und zu zwei Dritteln aus Darlehen bestehen soll. Auf dem EU-Gipfel gab es dazu allerdings keine Einigung.

Darauf angesprochen, sagte Scholz: Er habe keinen Zweifel, dass die EU die zugesagte Hilfe aufbringen werde. Er legte der EU-Kommission indirekt nahe zu prüfen, ob dafür gegebenenfalls mehr Mittel aus dem vorhandenen Etat in Frage kommen. Die Brüsseler Behörde sieht allerdings kaum noch Spielraum: Sie macht sich vielmehr dafür stark, dass die EU-Staaten den EU-Haushalt bis 2027 um weitere 66 Mrd. Euro aufstocken. Das sind ungefähr 5% mehr als ursprünglich vorgesehen.

Streit über Migrationspolitik

Auch deshalb wecken die eingefrorenen russischen Vermögen Begehrlichkeiten. Allerdings sollen der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge mehrere Staats- und Regierungschefs Vorbehalte zum Ausdruck gebracht haben. Scholz sagte in der anschließenden Pressekonferenz: „Niemand weiß gegenwärtig, was überhaupt geht und wie.“ Es gebe bislang keinen Weg, „der durchgetestet ist und funktioniert“. Alle seien sich einig, dass „noch sehr lange geprüft werden“ müsse.

Überlagert wurde das zweitägige Gipfeltreffen vom Streit über die gemeinsame Migrationspolitik. Ungarn und Polen weigern sich offen, einen neuen Migrationspakt mitzutragen. Kürzlich hatten sich die Innenminister aller 27 EU-Staaten auf ein verschärftes Vorgehen in der Migrationspolitik verständigt, das trotz Bedenken auch die Bundesregierung mitträgt. Scholz sprach in Brüssel von einem „Durchbruch“. Von der Blockadehaltung Polens und Ungarns zeigte er sich unbeirrt.

Mit markigen Worten hatte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán den Gipfel aufgemischt. „Im Sitzungssaal spielte sich ein Migrationskrieg ab“, sagte er in einem Interview des staatlichen Radios, das in Brüssel aufgenommen wurde. „Es war ein Freiheitskampf, kein Aufstand!“, beschrieb er die Weigerung Ungarns und Polens auf dem Gipfel, die jüngsten Asylpläne der EU mitzutragen.

Bundeskanzler Scholz bremst beim EU-Gipfel Versuche, der Ukraine mithilfe eingefrorener Vermögen aus Russland beim Wiederaufbau zu helfen.

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