Vorspiel zu Davos

Die Elite sieht schwarz

Vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos hat sich die Stimmung bei Risikoexperten weiter eingetrübt. Fast ein Drittel fürchtet, dass in den kommenden zwei Jahren eine globale Katastrophe eintreten könnte.

Die Elite sieht schwarz

Die Elite sieht schwarz

Umfrage des Weltwirtschaftsforums: Fast ein Drittel der Risikoexperten fürchtet globale Katastrophe binnen zwei Jahren

Von Andreas Hippin, London

Vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos gibt der vom Veranstalter erstellte Global Risks Report Einblick in die Stimmung der weltweiten Eliten. Sie ist weit schlechter als gedacht. Zu Beginn des Superwahljahres 2024 dominieren Ängste vor Desinformation, gesellschaftlicher Polarisierung und IT-Sicherheitsproblemen.

Der alljährliche Risikobericht des Weltwirtschaftsforums WEF liefert ein Stimmungsbild der globalen Elite, die sich in der kommenden Woche in Davos zusammenfindet. Die Befragten sehen offenbar schwarz, sowohl kurzfristig als auch langfristig. Mehr als die Hälfte (54%) der im September vergangenen Jahres für die Global Risks Perception Survey befragten 1.500 Teilnehmer rechnet für die kommenden zwei Jahre mit etwas Instabilität und einem moderaten Risiko einer weltweiten Katastrophe. Weitere 27% sehen ein erhöhtes Risiko solcher Ereignisse. Für 3% bahnen sie sich bereits an. Auf Zehnjahressicht erwarten fast zwei Drittel turbulente, wenn nicht gar stürmische Zeiten.

Klima rückt in den Hintergrund

Das sei ein ziemlich anderes Bild als im Jahr zuvor, in dem auf lange Sicht noch Optimismus vorherrschte, sagte Saadia Zahidi, die Geschäftsführerin des WEF, auf einer Pressekonferenz in London. Dabei scheine die Weltwirtschaft derzeit auf dem Weg zu einer sanfteren Landung zu sein als befürchtet. Das Bild unterscheidet sich auch noch in einer anderen Hinsicht: Mit dem Klimawandel verbundene Themen sind auf kurze Sicht etwas in den Hintergrund gerückt. Für das Superwahljahr 2024 wurden nach extremen Wetterereignissen „mithilfe von künstlicher Intelligenz erzeugte Falschinformationen und Desinformation“ als größtes Risiko genannt. Sie könnten im Zusammenspiel mit der gesellschaftlichen Polarisierung und steigenden Lebenshaltungskosten einen toxischen Cocktail hervorbringen. Gewählt wird nicht nur in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich, sondern auch in vielen anderen Ländern, diesen Samstag zum Beispiel schon in Taiwan.

Synthetische Desinformation könne „wesentliche Auswirkungen“ auf Wahlen haben, sagte Carolina Klint, Chief Commercial Officer beim Berater Marsh McLennan. KI liefere auch neue Werkzeuge und Wege für Cyberattacken. „Man muss heute nicht mehr schlau sein, um als Cyberkrimineller Erfolg zu haben“, sagte Klint. Auf Zehnjahressicht rangieren mögliche negative Folgen des Einsatzes von künstlicher Intelligenz aus Sicht der Umfrageteilnehmer auf Rang 6 der größten Risiken.

Konflikt eskaliert

Die Umfrageergebnisse sprächen für sich selbst, sagte Zahidi. Die Leute seien „zutiefst besorgt“ angesichts der Geschwindigkeit, mit der synthetischer Content erzeugt werden könne. Vielleicht ist es ja die Angst vor der enormen Mobilisierungskraft von über Soziale Medien verbreiteten Botschaften, die der ehemalige CIA-Analyst Martin Gurri in seinem Buch als „Die Revolte der Öffentlichkeit“ am Beispiel des „Arabischen Frühlings“ beschreibt. Es gebe auch Besorgnis darüber, wie Regierungen auf die Bedrohung durch Desinformation reagieren könnten, sagte Zahidi. Als weiteres großes Thema machte sie die auseinanderlaufende Entwicklung von Industriestaaten und Dritter Welt aus.

Der Krieg in Gaza hat die Ergebnisse des Risikoberichts wohl nicht mehr groß beeinflusst. Vermutlich findet sich „Ausbruch oder Eskalation bewaffneter Konflikte zwischen Staaten“ deshalb lediglich auf Platz 8 der für 2024 erwarteten größten Risiken. „Der Konflikt ist bereits über die Grenzen von Israel und Palästina hinaus eskaliert“, sagte Tina Fordham, die Gründerin von Fordham Global Foresight, bei einem Briefing am Mittwochnachmittag. Er werde unterschätzt, weil es ein reichliches Öl- und Gasangebot gebe. Für den US-Präsidenten Joe Biden sei er „ein Dorn in seiner Seite“.

„Fast wie Sanktionen gegen Europa“

Dem US-Militär zufolge hat es seit dem 19. November 26 Angriffe der mit dem Iran verbündeten Huthi-Rebellen im Jemen auf den Schiffsverkehr im Roten Meer gegeben. Man müsse damit rechnen, dass die Angriffe weitergehen werden, sagte Klint auf der WEF-Pressekonferenz. Es gebe keine Anzeichen für eine Verlangsamung. Derzeit gebe es keine Möglichkeit, Containerschiffe durch den Suezkanal zu schicken, ohne das Leben der Besatzungsmitglieder zu riskieren. Zudem sei es schwer, jemanden zu finden, der solche Transporte versichere. Das wirke „fast wie Sanktionen gegen Europa“. Zugleich erschwere mangelnder Regen – eine Folge des Klimawandels – die Passage durch den Panamakanal.

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