Geldpolitik

Debatte über Renaissance der Inflation

Die Inflation steht weltweit vor einem Comeback – auch weil die Notenbanken weniger entschlossen als in der Vergangenheit auf eine anziehende Teuerung reagieren werden.

Debatte über Renaissance der Inflation

ms Frankfurt

Die Inflation steht weltweit vor einem Comeback – auch weil die Notenbanken weniger entschlossen als in der Vergangenheit auf eine anziehende Teuerung reagieren werden. Davon ist der langjährige Chefvolkswirt des weltweit zweitgrößten Versicherers Allianz und jetzige Chefökonom des Vermögensverwalters HQ Trust, Michael Heise, überzeugt. Heise äußerte sich bei einem Online-Seminar des Center for Financial Studies zum Thema Geldentwertung.

„Es spricht vieles für eine Trendwende der Inflation“, sagte Heise: „Wir stehen vor einem grundlegenden globalen Wandel, der die Dynamik der Preisentwicklung, der Einkommensverteilung und der Vermögensbildung der nächsten Jahrzehnte verändert.“ Die Geld- und die Fiskalpolitik hätten zwar nach wie vor die Mittel, zu hohe Inflationsraten zu verhindern. Die Anreize, das in der Zukunft zu tun, seien aber gering.

Die Frage nach einer Renaissance der Inflation gehört aktuell zu den am stärksten und am kontroversesten diskutierten Themen unter Ökonomen und Marktakteuren. Zuletzt haben die Inflationsraten, die lange Jahre deutlich unterhalb der Notenbankziele lagen, vor allem in den USA, aber auch in Euroland angezogen. Viele Experten halten das für ein temporäres Phänomen. Andere warnen dagegen vor zu viel Gelassenheit – auch auf Seiten der Notenbanken. An den Märkten steigen die Inflationserwartungen und die Renditen von Staatsanleihen. Die Notenbanken wollen dagegen die Finanzierungsbedingungen niedrig halten.

Heise sieht nun zum einen strukturelle Trends in der Weltwirtschaft, die für eine höhere Inflation sprächen, und verweist insbesondere auf die Alterung der Gesellschaften weltweit. Das mache Arbeit knapper und teurer. Zwar gebe es auch gegenteilige globale Faktoren wie die Digitalisierung. Aber, so Heise: „Die inflationsdämpfenden Effekte der Digitalisierung dürften die Trendwende der demografischen Entwicklung nicht überkompensieren.“ Neuer Konkurrenzdruck aus Indien und Afrika könnte zwar eine neue Globalisierungswelle mit Kosten- und Preisdruck auslösen. Die Rahmenbedingungen dafür seien aber derzeit nicht gegeben. Auch die in der Coronakrise stark angestiegene globale Geldmenge lasse zunehmende Inflation erwarten, sagte Heise (siehe Grafik).

Zum anderen spreche die neue Ausrichtung der Geld- und Fiskalpolitik für mehr Inflation, so Heise: „Für die Finanzpolitik bestehen starke Verschuldungsanreize durch die Alterung der Bevölkerung und durch den Anleihekauf der Zentralbanken. Und eine deutliche Kehrtwende der Notenbanken ist aufgrund der damit verbundenen Risiken für die Staatsfinanzierung und die Stabilität der Finanzmärkte schwer vorstellbar.“ Es gebe aktuell eine „hohe Inflationstoleranz“ und einen „Trend zu monetärer Staatsfinanzierung“.

Auch die Volkswirte der Berenberg Bank sehen nach vier Jahrzehnten rückläufiger Inflation eine Reihe zyklischer und längerfristiger struktureller Faktoren, die für einen Anstieg der zugrunde liegenden Inflation in den kommenden Jahren sprächen, wie sie in einer am Mittwoch veröffentlichten Analyse schreiben. Sie sind aber überzeugt, dass die Notenbanken anders als in den 1970er Jahren keine hohe Inflation zulassen werden: „Die Zentralbanken werden diesen Fehler nicht wiederholen.“