Deep Tech kann auch für Deutschland zum Wachstumsmotor werden
BDI sieht Deep Tech als Wachstumsmotor
Von Politik verbindliche Roadmaps für KI, KI-Robotik, Quantentechnologie und mRNA-Arzneien gefordert – Hohes Wertschöpfungspotenzial
ahe Berlin
Der Deep-Tech-Sektor bietet nach Einschätzung des BDI auch für die deutsche Wirtschaft ein hohes Wachstumspotenzial. Von der Politik fordert der Industrieverband daher verbindliche Roadmaps in vier Zukunftstechnologien.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat von der Bundesregierung eine rasche Ausgestaltung ihrer im Juli vorgelegten Hightech-Agenda gefordert und schlägt dafür die Aufstellung verbindlicher Roadmaps in vier Zukunftstechnologien vor: KI, KI-basierte Robotik, Quantentechnologien und mRNA-Medikamente. Um führende Industrienation zu bleiben, müsse Deutschland Wertschöpfung in strategischen Deep-Tech-Bereichen erzielen und Champions in diesen Technologien entwickeln, heißt es in einer Studie, die der Industrieverband zusammen mit der Boston Consulting Group (BCG) erstellt hat.
Demnach kann der Deep-Tech-Sektor auch für die deutsche Wirtschaft noch zu einem Wachstumsmotor werden. Der Studie zufolge zeigt der Sektor bis 2030 hohe Wachstumsraten und schafft bis dahin ein globales Wertschöpfungspotenzial von bis zu 8 Bill. Euro. Deutschland könne sich als Industrienation neu erfinden. Voraussetzung sei aber die Erschließung neuer Märkte durch Entwicklung und Anwendung neuer Technologien, hieß es.

BDI-Präsident Peter Leibinger betonte bei der Vorstellung der Studie, es gehe jetzt auch um Geschwindigkeit, da insbesondere die USA und China ebenfalls schon massiv in Deep Tech investierten und globale Standards setzten. In der Studie wird darauf verwiesen, dass bei einzelnen Schlüsseltechnologien wie großen Sprachmodellen (LLMs) in der generativen KI Deutschland und Europa schon heute einen nur schwer aufholbaren Rückstand hätten. Um so wichtiger ist es laut Leibinger jetzt, in anderen Bereichen Schlüsselpositionen in den Wertschöpfungsketten zu besetzen.
Starke Industriebasis hilfreich
Nach Einschätzung von BDI und BCG bringt Deutschland hierfür auch exzellente Voraussetzungen mit aufgrund seiner starken industriellen Basis, führenden Forschungseinrichtungen und der „einzigartigen Kultur der Ingenieurskunst“. Leibinger plädierte dafür, dass bei der Erstellung der Roadmaps mit klar definierten Sektorzielen und verbindlichen Erfolgskontrollen alle wichtigen Akteure von Politik, Industrie, Startups und Wissenschaft zusammenarbeiteten.
Leibinger verwies darauf, dass sich allein der weltweite Robotikmarkt bis 2030 auf 70 Mrd. Euro mehr als verdoppeln werde – selbst ohne bahnbrechende Fortschritte in der humanoiden Robotik. Deutschlands Anspruch müsse sein, die Hälfte dieses Marktes zu besetzen, stellte er klar. Im KI-Bereich sollte sich Deutschland der Studie zufolge auf strategisch relevante Felder wie die „Industrielle KI“ konzentrieren, in denen der Wettbewerb noch offen sei. Hier gehe es etwa um die Entwicklung von sogenannten Large Industry Models. Das deutlich größere wirtschaftliche Potenzial für deutsche Unternehmen liegt laut Studie aber bei der Anwendung von KI-Technologien und nicht bei ihrer Entwicklung.

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Auf dem Feld der KI setzt die Studie bis 2030 durchschnittliche jährliche Wachstumsraten von 26% an, was zu einem globalen Markvolumen von 1.000 bis 1.500 Mrd. Euro führt – dem weitaus größten der Zukunftstechnologien. Deutlich kleiner ist der Bereich der Quantentechnologie einschließlich Quantencomputing, -kommunikation und -sensorik mit dann nur 30 Mrd. Euro, allerdings mit einem jährlichen Wachstum von 70%.
Boston Consulting-Zentraleuropachef Michael Brigl verwies darauf, dass es gar nicht unbedingt nur auf das Marktvolumen ankomme, sondern auch auf die künftige technologische Souveränität. Zudem würden diese Zukunftstechnologien alle bestehenden Industrien verändern. Brigl warnte, Deutschland dürfe bei Deep Tech nicht noch einmal die Fehler machen, mit denen man einst die technologische Weltmarktführerschaft in der Solarindustrie verspielt habe.
Deep Tech ist nach Einschätzung von Brigl nun die Chance, „Deutschland als Industrienation neu zu erfinden“. Das „Made in Germany“ könne so zukunftssicher gemacht werden.
Die Roadmap im Healthcare-Sektor sollte nach Einschätzung von BDI und BCG die Bereiche mRNA-Medikamente, Gen- und Zelltherapien (GCT) umfassen, in denen stark wachsende Märkte zu erwarten sind. Bis 2030 dürfte sich demnach das globale Marktvolumen auf knapp 100 Mrd. Euro mehr als vervierfachen.
Chancen als Biotech-Standort
Für Deutschland ergebe sich hier nicht nur ein medizinisches und wirtschaftliches Potenzial, sondern dank renommierter Unternehmen und exzellenter Forschung auch die strategische Chance, sich im Wettbewerb als führender Biotechnologiestandort zu etablieren, hieß es.
Mit mehr Fördergeldern müssen die Roadmaps für die Zukunftstechnologien gar nicht verbunden sein, wie BDI-Präsident Leibinger klar stellte. Die Mittel müssten aber besser gebündelt und die Transfers beschleunigt werden. Voraussetzung hierfür sei unter anderem eine Klärung der Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung. Bestehende Förderinstrumente müssten gezielt ausgerichtet werden, um das Volumen für die Skalierung europäischer Deep-Tech-Champions zu erhöhen.
Brigl verwies zugleich darauf, dass sich Investitionen in Deep Tech auch durch ein hohes Risiko auszeichneten, da zum Teil noch unklar sei, welche Technologie sich im einzelnen durchsetze. Die USA und China gingen bislang anders mit Risiken um. Deutschland agiere hier „zu zögerlich“, kritisierte Brigl.