Tourismus

Delta-Variante trübt konjunkturelles Bild

Die Erholung der europäischen Wirtschaft, die im zweiten Quartal Fahrt aufgenommen hatte, wird ausgerechnet in den Ferienmonaten gebremst. Großer Leidtragender ist dabei der Tourismus.

Delta-Variante trübt konjunkturelles Bild

bl
ths
BZ

In allen deutschen Bundesländern laufen die Sommerferien. Die ersten Reisenden kehren nach Hause zurück. Gleichzeitig steigen die Infektionszahlen in vielen europäischen Ländern. Der wirtschaftliche Aufschwung nach der vergangenen Coronawelle geht zwar weiter, wenn auch mit langsamerem Tempo. Ein Überblick über die Auswirkungen auf Tourismus und Konjunktur in den wichtigsten Reiseländern der Deutschen.

Spanien

Die vergangenen Wochen bereiteten den Unternehmern und Mitarbeitern der spanischen Tourismusbranche ein Wechselbad der Gefühle. Mit dem Ende der strengen Reiseauflagen der britischen Regierung Mitte Juli vervielfachten sich die Reservierungen der größten Kundschaft der spanischen Hoteliers. Wenige Tage darauf kam die kalte Dusche aus Deutschland mit der Hochstufung Spaniens zum Hochinzidenzgebiet. Doch haben die neuen Auflagen wenig Auswirkungen, da die meisten deutschen Touristen mit dem Flugzeug anreisen und sich daher ohnehin testen lassen müssen, wenn sie nicht geimpft oder genesen sind. Eine Sprecherin des Reisekonzerns Tui versicherte der „Mallorca-Zeitung“ Anfang der Woche, dass man kaum Stornierungen registriert habe. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist in Spanien auf 370 gestiegen und betrifft hauptsächlich junge Menschen, die sich nach dem Lockdown austoben. Mit einem Bevölkerungsanteil von 57%, der komplett geimpft ist, belegt Spanien in Europa einen Spitzenplatz.

Dennoch blieb im Juni ein Drittel der Hotels des Landes geschlossen, wie das Statistikamt INE berichtete. Im Juni zählte man 14 Millionen Übernachtungen, 60% davon entfielen auf heimische Reisende. Im Juni 2020 waren es nur 1,8 Millionen, dabei lag die Belegung 62% unter dem Stand von 2019. Die Großbank BBVA ermittelt anhand der Kreditkarten die Ausgaben von Besuchern aus dem Ausland. Diese lagen bis Juni 70% unter dem Vorjahresniveau. Im Juli stiegen sie auf 75% und in der letzten Woche des Monats auf 85%, wie der CEO der Bank, Onur Genç, am Freitag berichtete. „Wir hätten uns mehr gewünscht, aber es hätte auch viel schlimmer kommen können“, sagte der Banker. Dennoch warnt der Dachverband der Unternehmer CEOE die Regierungen vor weiteren Verschärfungen der Corona-Auflagen und forderte eine bessere Kommunikation der Lage im Lande. „Diese Dinge sind entscheidend, um den definitiven Rückschlag für die Tourismusbranche zu vermeiden“, hieß es in einer Mitteilung.

Italien

Die Touristen sind zurück in Italien – trotz deutlich steigender Corona-Ansteckungszahlen im Land. Es sind vor allem Deutsche, Schweizer, Österreicher und Franzosen, die kommen. Die besonders zahlungskräftigen Russen, Amerikaner, Araber, Chinesen und Japaner fehlen dagegen weitgehend. Das liegt an diversen Reisebeschränkungen, aber auch daran, dass in einigen Ländern Vakzine wie Sputnik verimpft werden, die in der EU nicht anerkannt werden. Touristen aus diesen Ländern erhalten keinen Green Pass, der in Italien demnächst Voraussetzung für Reisen im Zug, Bus oder Flugzeug, aber auch für den Besuch von Restaurants (in den Innenräumen) und Veranstaltungen sein soll.

Die Angst ist groß, dass der Tourismus einen neuen Rückschlag erlebt. Briten müssen bereits fünf Tage in Quarantäne, wenn sie nach Italien kommen. Wenn jetzt auch Deutschland die Wiedereinreise von Urlaubern aus Italien erschwert, ist das eine Katastrophe für das Land, das sich gerade zu erholen beginnt und Prognosen zufolge 2021 mit einem Wirtschaftswachstum von 5% oder mehr rechnen kann. Dieses Wachstum könnte gefährdet sein, wenn der Tourismus, der 13% zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt, einbrechen sollte. Ligurien bietet ausländischen Gästen schon Versicherungen gegen das Coronavirus an, die die Kosten von Krankenhausbehandlungen übernehmen. Und es gibt bereits Touristen, die diese in Anspruch nehmen mussten.

Noch ist unklar, wie es weitergehen soll. „Wir können den Tourismus nicht in einem Moment der Erholung bestrafen“, sagt Tourismusminister Massimo Garavaglia. Aber ob und welche Lösungen es geben könnte, ist einstweilen offen.

Frankreich

Frankreich hat gerade die Bestimmungen für alle verschärft, die aus Griechenland, Großbritannien, den Niederlanden, Spanien und Zypern einreisen. Nicht-Geimpfte müssen nun einen Corona-Test vorzeigen, der nicht älter als 24 Stunden sein darf. Zudem gilt der am 21. Juli in Kraft getretene Gesundheitspass auch für Reisende aus dem Ausland. Jeder, der Kultur- und Sporteinrichtungen oder Veranstaltungen besuchen will, muss seitdem den Nachweis für eine vollständige Impfung, Genesung oder einen negativen Corona-Test vorlegen. Ab August gilt das auch für den Besuch von Restaurants, Cafés und Bars sowie für Reisen mit Bahn, Flugzeug oder Bus. Angesichts des rasant steigenden Inzidenzwertes, der landesweit zuletzt 191 betrug, haben bei Urlaubern beliebte Regionen an der Küste wieder eine Maskenpflicht im Freien eingeführt. Dort sind Inzidenzwerte schwindelerregend hoch – in Cannes betragen sie über 1000. In den bei Touristen beliebten Übersee-Départements Martinique und La Réunion gelten wieder Ausgangsbeschränkungen. Der Gesundheitspass hat nach Angaben der Tourismusindustrie bisher nicht zu vielen Stornierungen geführt. Campingplätze und Ferienhäuser haben im Juli Rekorde verbucht. Im Großraum Paris, wo der Tourismus 6 bis 7% des regionalen Bruttoinlandsproduktes (BIP) ausmacht, bekommen Restaurants und Hotels jedoch das Ausbleiben von Touristen aus den USA und China zu spüren. Der Anteil von Sektoren, die wie Restaurants und Hotels direkt vom Tourismus abhängig sind, beträgt rund 6% des BIP. Vor der Pandemie war Frankreich das nach Besucherzahlen führende Land der Welt.