Demografie treibt Politik fiskalisch in die Enge
Demografie treibt Politik in die Enge
Beitragssätze und fiskalische Belastungen explodieren – Steuerbasis wird dünner – Generationenbilanz 2025
Eine neue Studie der Stiftung Marktwirtschaft zu den fiskalischen Belastungen der demografischen Entwicklung beziffert die Folgen der versäumten politischen Weichenstellungen. Zugleich zeigt sie das ganze Ausmaß der ökonomischen Lasten, die auf die kommenden Generationen zukommen.
lz Frankfurt
Deutschland schlittert wegen der aktuellen Rentenpolitik immer tiefer in eine Fiskalkrise hinein. Wie die jüngsten Berechnungen zur Entwicklung der demografischen Lasten zeigen, sind die expliziten Verbindlichkeiten der öffentlichen Haushalte und die künftigen Zahlungsverpflichtungen (implizite Staatsschuld) zusammengenommen auf inzwischen 19,5 Bill. Euro angewachsen. Das entspricht rund 454% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Eine Steigerung um gut 4 Bill. Euro gegenüber den Berechnungen im vergangenen Jahr. Grund dafür sind ausbleibende politische Entscheidungen, um der Entwicklung gegenzusteuern. Stattdessen, kritisiert Michael Eilfort, Vorstand der Denkfabrik „Stiftung Marktwirtschaft“, hätten die jüngsten Rentenbeschlüsse die Lage eher noch verschlimmert.
Offiziell liegt die Staatsschuldenquote aktuell nur bei 62,5%, wobei die Sonderschulden für das Investitionspaket noch gar nicht mitgerechnet ist. Zugleich schwindet aber auch die Steuerbasis des Staates, weil absehbar steigende Sozialbeiträge sich für die Steuerzahler steuerlich mindernd auswirken. Die Finanzierungsgrundlage des Staates schrumpft zusehends, wie Rentenexperte Bernd Raffelhüschen warnt. Er aktualisiert seit vielen Jahren die demografischen und fiskalischen Berechnungen. Über die Jahre dürften dem Staat „gut 6% des Steuersubstrats verlorengehen“, erwartet er.

Versäumnisse der Politik
Der Hauptgrund für diese immer größeren fiskalischen Probleme ist die unzureichende Härtung des Umlageprinzips in der Rentenversicherung gegen die demografische Entwicklung. Weil immer weniger Beitragszahler immer mehr länger lebende Rentner finanzieren müssen, steigen zum einen die Sozialbeiträge. Zum anderen muss der Staat schon heute immer höhere Zuschüsse in das System einspeisen, um die Beiträge nicht zu stark steigen und die Renten nicht zu stark sinken zu lassen. Das ganze Ausmaß dieser Politik wird sichtbar, wenn die anstehenden Rentenzahlungen der älteren Generationen als implizite Verbindlichkeiten des Staates offengelegt werden.
Wie Raffelhüschen in der aktuellen „Generationenbilanz“ zeigt, liegt die rein implizite Staatsschuld inzwischen bei 392% des BIP. 2024 waren es noch rund 311%. „So schlecht stand es um die Schuldentransparenz in Deutschland noch nie“, kritisiert er mit Blick auf die von der Regierung eher heruntergespielten fiskalischen Probleme. „Mehr als sechs Siebtel der staatlichen Gesamtverschuldung bestehen aus impliziten Schulden, die sich aus künftigen Ausgabenverpflichtungen des Staates ergeben, die durch das gegenwärtige Steuer- und Abgabenniveau nicht gedeckt sind.“
Kürzungen unvermeidlich
Um die bestehende Nachhaltigkeitslücke zu schließen, wären entweder dauerhafte Ausgabenkürzungen von 14,2% oder Einnahmenerhöhungen um 16,8% erforderlich. Trotz des enormen finanzpolitischen Konsolidierungsdrucks nehme die Bundesregierung mit ihren jüngsten Leistungsausweitungen in der Rentenversicherung in erster Linie die Interessen der Rentner und ruhestandsnahen Jahrgänge in den Blick. Das habe fatale Folgen für die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte und ginge damit zu Lasten der nachfolgenden Generationen. Schließlich werde das Rentenpaket 2025 mit der Rentenniveauhaltelinie von 48% und der Mütterrente III die implizite Staatsschuld um weitere 17,7% des BIP erhöhen.
Noch höhere Beitragssätze, argumentiert Raffelhüschen, sind seines Erachtens der falsche Weg. Die Sozialleistungsquote liege schon heute bei 41,9%. Weitere Steigerungen würden die Beitragszahler überfordern und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland weiter schwächen. Der Rentenexperte fordert eine harte Kopplung des Rentenalters an die steigende Lebenserwartung, eine faire Verteilung der demografischen Lasten zwischen Rentnern und Beitragszahlern, qualifizierte Zuwanderung sowie „endlich eine echte Teilkapitaldeckung der Rente für die Jungen“. Schon heute müsste das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöht und dann schrittweise auf 70 Jahre gesteigert werden. Zugleich müssten die Abschläge für den früheren Renteneintritt schleunigst von 3,6% auf rund 7% pro Jahr steigen.
Kann Karlsruhe helfen?
Dass die Politik noch rechtzeitig reagiert, zieht Raffelhüschen mit Blick auf die neuerlich einberufenen Reformkommissionen in Zweifel. Die Zeit dränge. Würde man erst verspätet den Renteneintritt anpassen, seien die größten Altersjahrgänge längst in Rente. Eine solche Reform würde dann allenfalls noch „in homöopathischen Dosen“ wirken. Allerdings besteht noch eine Chance, dass die Politik frühzeitig zu Entscheidungen gedrängt wird, wenn das Bundesverfassungsgericht diesbezüglich angerufen würde und schnellstmöglich handelt. Analog zum Umwelturteil in Sachen ökologische Nachhaltigkeit könnte es schließlich auch mit Blick auf die fiskalische Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit entscheiden und die Politik unter Druck setzen.