Der Bürokratieabbau hängt in den EU-Institutionen fest
Der Bürokratieabbau hängt in den EU-Institutionen fest
Von der Leyen gibt Rat und Parlament Schuld an Verzögerungen – Deutsche Wirtschaft drängt auf eine entschlossene europäische Wettbewerbsagenda
ahe Berlin
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat eingeräumt, dass ihre bisherige Bürokratieabbau-Politik noch keine Wirkung in der Wirtschaft entfaltet hat. Sechs Omnibus-Pakete habe die Kommission seit dem Frühjahr auf den Weg gebracht, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag in Berlin. Bislang sei kein einziges davon in den Unternehmen angekommen. Dies liegt nach den Worten von der Leyens daran, dass noch die Zustimmungen von Rat und EU-Parlament zu den Gesetzesänderungen fehlen.
Gemeinsame Erklärung der deutschen Spitzenverbände
Von der Leyen rief die europäischen Mitgesetzgeber dringend dazu auf, grünes Licht zu den Maßnahmen zu geben. Es gehe um Entlastungen von derzeit mehr als 8 Mrd. Euro für die Wirtschaft. „Dies ist nicht die Zeit für Vetos.“ Die Kommissionschefin bekräftigte noch einmal im Rahmen eines Gesprächs mit den Präsidenten der vier Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft – BDI, BDA, DIHK, ZDH – zugleich noch einmal, dass sie die EU-Unternehmen in dieser Legislaturperiode um mindestens 25% ihrer Bürokratiekosten entlasten wolle, kleine und mittelgroße Betriebe sogar um mindestens 35%. „Wir müssen eine breite Schneise durch den Dschungel schlagen.“
Die Kommissionspräsidentin reagierte mit ihren Aussagen auch auf eine zuvor veröffentlichte gemeinsame Erklärung der vier Verbände, in der diese eine „entschlossene Wettbewerbsagenda“ von der Europäischen Kommission einfordern. Sie warnten, dass die Wettbewerbsfähigkeit vieler Standorte in der EU gefährdet sei.
Draghi-Diagnose „war richtig“
„Ein Jahr nach dem Draghi-Bericht sehen wir, dass seine Diagnose richtig war“, hieß es. „Die EU-Institutionen müssen endlich wirtschaftskonform und pragmatisch handeln.“ In der Erklärung wird dies insbesondere auf die Bereiche Bürokratieabbau, Energie, die Vertiefung des Binnenmarktes, Marktöffnungen sowie eine Mittelstands-Entlastung bezogen.
In einer Diskussion mit von der Leyen kritisierte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Peter Leibinger, die EU sei „ein bürokratisches Monster“ und das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Situation sei in der Kommission noch gar nicht richtig angekommen. Seiner Einschätzung nach werde der Draghi-Bericht noch gar nicht umgesetzt.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger forderte von von der Leyen ein „Belastungsmoratorium“ für die Unternehmen, das möglichst schon bis Weihnachten kommen sollte. Der Bürokratieabbau müsse in den Betrieben ankommen, damit sich auch an der Stimmung etwas ändere, betonte Dulger.
Mehr Handelsverträge kommen
Sein Amtskollege von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, verwies auf die große Verunsicherung in den Unternehmen und sprach von einem „riesigen Vertrauensverlust“ in die Politik. Und Handwerkspräsident Jörg Dittrich ergänzte, wichtig sei, dass Brüssel jetzt „noch schneller und konkreter“ Probleme anpacke.
Von der Leyen stellte der deutschen Wirtschaft bei ihrem Besuch in Berlin nicht nur weitere Omnibus-Pakete mit zusätzlichen Entlastungen in Aussicht, sondern auch weitere Freihandelsabkommen. „Mit Indien wollen wir noch dieses Jahr abschließen“, stellte sie klar. In einem Telefonat am Vortag habe Indiens Ministerpräsident ihr zugesagt, dieses Ziel zu teilen. Auch das Mercosur-Abkommen mit mehreren südamerikanischen Staaten wolle sie möglichst noch Ende des Jahres unterzeichnen, so die Kommissionschefin. Weitere Gespräche gebe es unter anderem mit Südafrika, Malaysia und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Von der Leyen verteidigt Zolldeal
In ihrer gemeinsamen Erklärung hatten die vier Spitzenverbände darauf verwiesen, dass es parallel zum Abschluss neuer Freihandelsverträge auch gelte, Lieferketten zu diversifizieren, um Abhängigkeiten von einzelnen Ländern zu reduzieren. Auch müssten Rohstoffpartnerschaften gezielt ausgebaut werden.
Von der Leyen ging in dem Spitzengespräch auch noch einmal auf den Zolldeal mit den USA ein. Sie halte die US-Zölle für falsch, stellte sie klar. Entscheidend sei aber, dass EU-Unternehmen weiter einen Marktzugang hätten. Und mit dem vereinbarten Zollniveau von 15% seien sie weiter in einer sehr wettbewerbsfähigen Position.