Prognose der EU-Kommission

Der große Aufschwung bröckelt vorerst ab

Der Wirtschaftsaufschwung in der EU und der Eurozone wird in diesem Jahr nicht ganz so stark ausfallen wie noch im November prognostiziert. Eine breite Wachstumsbelebung startet wegen der schwierigen Pandemielage wohl erst in der zweiten Jahreshälfte.

Der große Aufschwung bröckelt vorerst ab

ahe Brüssel

Angesichts der weiterhin schwierigen Pandemielage und der damit verbundenen Lockdown-Maßnahmen erwartet die Europäische Kommission eine breite Wachstumsbelebung erst in der zweiten Jahreshälfte. Die Brüsseler Behörde rechnet aber damit, dass sowohl im Euroraum als auch in der ganzen EU die gesamtwirtschaftliche Produktion ihr Vorkrisenniveau 2022 erreicht und damit früher als zuletzt prognostiziert (siehe Grafik).

Die Wachstumsdynamik werde in der zweiten Jahreshälfte und im Jahr 2022 stärker ausfallen, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni in Brüssel. „Die Pandemie hat uns weiterhin schmerzhaft im Griff. Ihre sozialen und wirtschaftlichen Folgen sind unübersehbar. Aber endlich sehen wir Licht am Ende des Tunnels.“

Die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wird in diesem Jahr allerdings erst einmal geringer ausfallen als noch im November prognostiziert. Für den Euroraum stellte die EU-Kommission jetzt einen BIP-Anstieg von 3,8% in Aussicht. Im Herbst hatte die Behörde noch 4,2% veranschlagt. Der Blick auf 2022 fällt dafür nun zuversichtlicher aus: Das Wachstum soll mit 3,8 (bisher: 3,0)% deutlich höher ausfallen. Der schwächere Ausblick in diesem Jahr hat auch damit zu tun, dass der BIP-Einbruch im letzten Jahr lediglich bei 6,8% gelegen hatte. Die bisherige Prognose hatte bei 7,8% gelegen.

Das Tempo der Impfungen und der Lockdown-Lockerung ist allerdings aus Sicht der Kommission weiterhin ein Unsicherheitsfaktor für die konjunkturelle Entwicklung in Europa. Die neue Prognose geht davon aus, dass es gegen Ende des zweiten Quartals zu ersten Öffnungen und in der zweiten Jahreshälfte dann zu spürbareren Lockerungen kommen wird, wenn die am stärksten gefährdeten Personengruppen und ein wachsender Anteil der Bevölkerung geimpft sind. Neue Virusvarianten bleiben ein großes Risiko.

Mit Sorge beobachtet die Kommission auch noch mögliche wirtschaftliche Langzeitfolgen der Krise in Form von Pleitewellen und Arbeitsplatzverlusten. Dies würde auch dem Finanzsektor schaden, langfristige Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben und Ungleichheiten verschärfen, warnte die Behörde.

Für Deutschland sagte die EU-Kommission einen BIP-Anstieg für 2021 von 3,2 (bisher: 3,5)% voraus und zeigte sich damit etwas optimistischer als die Bundesregierung, die 3,0% prognostiziert hat. Im nächsten Jahr soll der Aufschwung dann mit einem ähnlich hohen Wachstum von 3,1% fortgesetzt werden. Diese Entwicklung liegt zwar unterhalb des Eurozonen-Schnitts. Allerdings war der Einbruch des BIP in Deutschland im letzten Jahr mit 5,0% ebenfalls nicht so heftig ausgefallen.

Auffällig ist die für 2021 erwartete Inflationsrate von 2,3%, die höher als die in allen anderen Euro-Staaten liegt. Gentiloni begründete dies mit der Rücknahme der Mehrwertsteuer-Ermäßigung sowie höheren Energiekosten durch die neue CO2-Abgabe zum Jahreswechsel. 2022 soll die Inflation in Deutschland wieder auf 1,3% sinken. Im gesamten Euroraum wird diese 2021 bei 1,4% und im nächsten Jahr dann ebenfalls bei 1,3% liegen.

Brexit-Deal wirkt positiv

Negativ auf die Konjunktur schlägt sich in diesem und im nächsten Jahr der endgültig vollzogene Brexit nieder. Gentiloni verwies allerdings darauf, dass das im Dezember vereinbarte Handelsabkommen mit Großbritannien die Folgen für das EU-BIP um etwa ein Drittel verringert habe. Bis Ende 2022 koste der EU der Austritt Großbritanniens aus dem Binnenmarkt und Zollunion rund 0,5 Prozentpunkte Wirtschaftswachstum. In Großbritannien seien die Folgen hingegen stärker zu spüren: dort seien es 2,2 Prozentpunkte.

Hoffnungsträger für die weitere europäische Wirtschaftsentwicklung ist nach Ansicht der EU-Kommission neben den Impfungen vor allem auch der Corona-Wiederaufbaufonds, über den 672,5 Mrd. Euro direkt an die Mitgliedstaaten fließen sollen. Ab Sommer sollen die Gelder ausgezahlt werden. „Das bedeutet, dass die wirtschaftliche Erholung 2021 und 2022 stärker ausfallen sollte als in dieser Prognose, wenn die nationalen Aufbau-Pläne umgesetzt werden“, sagte Wirtschaftskommissar Gentiloni.

In der aktuellen Prognose sind die Gelder aus dem Wiederaufbaufonds so gut wie nicht berücksichtigt worden. Nur bereits umgesetzte oder glaubhaft angekündigte Maßnahmen aus dem Programm ließ die Kommission in ihre Wachstumsprognose einfließen. Bis Ende April müssen die EU-Staaten ihre Aufbaupläne nun in Brüssel einreichen.