NOTIERT IN MADRID

Der Sommer ist für Spaniens Politiker zu Ende

Nach dem Ende des Sommerurlaubs, der in diesem Jahr von den Terroranschlägen in Barcelona und Cambrils überschattet wurde, läuft der Politikbetrieb in Spanien wieder auf Hochtouren. Ministerpräsident Mariano Rajoy unterhielt sich mit den Führern der...

Der Sommer ist für Spaniens Politiker zu Ende

Nach dem Ende des Sommerurlaubs, der in diesem Jahr von den Terroranschlägen in Barcelona und Cambrils überschattet wurde, läuft der Politikbetrieb in Spanien wieder auf Hochtouren. Ministerpräsident Mariano Rajoy unterhielt sich mit den Führern der Sozialisten, Pedro Sánchez, und der liberalen Ciudadanos, Albert Rivera, vor dem Hintergrund des drohenden Showdowns mit den katalanischen Separatisten, die unbeirrt von allen rechtlichen Überschreitungen an ihrem Referendum zur Unabhängigkeit am 1. Oktober festhalten. Noch diese Woche soll das von der katalanischen Regierung ausgearbeitete Gesetzpaket zur Abspaltung von Spanien vom Parlament verabschiedet werden. Die konservative Regierung Rajoys wird in diesem Fall sofort Verfassungsklage einreichen, und es besteht kein Zweifel daran, dass die Richter den Alleingang der Katalanen ausbremsen werden.Was danach passieren wird, weiß in Spanien niemand so richtig. Die in Barcelona regierende Koalition der nationalistischen Parteien baut derweil schon an den Grundstrukturen für die angestrebte katalanische Republik. Die Frage der Staatsfinanzen steht dabei im Vordergrund. Am Montag stellten Ministerpräsident Carles Puigdemont und dessen Stellvertreter und Wirtschaftsminister Oriol Junqueras das zukünftige Finanzamt vor, die Agència Tributària de Catalunya (ATC). Diese Behörde gibt es zwar schon seit mehreren Jahren, da Katalonien, wie die anderen autonomen Regionen Spaniens, eigene Steuern eintreiben und verwalten kann. Der Zentralstaat hat den Landesregierungen etwa die Vermögen- und Erbschaftsteuer übertragen, was zu erheblichen Ungleichheiten im Lande geführt hat. Die “comunidades autónomas” können zudem Aufschläge auf die Einkommensteuer erheben und eigene Abgaben, beispielsweise auf Glücksspiele, im Einzelhandel, im Umweltbereich und sogar auf Spareinlagen, einführen. Rund 40 % des Steueraufkommens in Spanien entfällt demnach auf die Regionen und Gemeindeverwaltungen. Puigdemont und Junqueras versicherten bei der Präsentation der ATC, dass diese künftig in der Lage sei, sämtliche Steuern zu verwalten, also auch die Einkommen-, Körperschaft- und Mehrwertsteuer. Dazu habe man die Behörde auf 32 Außenstellen mit 800 Mitarbeitern ausgebaut. Die Antwort aus Madrid erfolgte umgehend. Noch am Montag erinnerte das spanische Finanzministerium von Cristóbal Montoro per Pressemitteilung die Steuerzahler daran, dass sie ihre Abgaben bei den zuständigen Behörden errichten müssen. Wer seine Einkommensteuer woanders abgibt – bei der ATC, versteht sich -, könnte sich strafbar machen, hieß es.Von rechtlichen Fragen abgesehen, stoßen die Pläne der Separatisten offenbar auch auf simple praktische Probleme. Gestha, eine Vereinigung der spanischen Finanzbeamten, rechnete aus, dass eine unabhängige Steuerbehörde in Katalonien mindestens weitere 4 000 Mitarbeiter benötigen würde, um effektiv das Geld eintreiben zu können. Denn der Schwarzmarkt ist in Katalonien auch nicht kleiner als im Rest des Landes. Letztlich bleibt in den Plänen der katalanischen Regierung auch noch offen, was mit der Sozialversicherung passieren sollte, deren Beiträge bisher über eine staatliche Behörde kassiert werden. Völlig unklar ist zudem, wie Madrid und Barcelona im Fall einer Spaltung ihre Staatsschulden auseinanderdividieren würden. Die Klage darüber, dass Katalonien viel zu viel an den Zentralstaat und die ärmeren Landesteile abtreten muss, war lange Zeit eine Grundlage für den Unmut vieler Katalanen. Daher erwägt nun auch der sonst bei diesem Thema unflexible Rajoy eine Neuordnung des Finanzierungssystems der spanischen autonomen Regionen. Einige Politiker wollen Katalonien sogar ein vollkommen eigenständiges Steuersystem zugestehen, so wie es im Baskenland und in Navarra aufgrund historischer Rechte besteht.Doch bei dem Konflikt geht es längst nicht mehr ums Geld. Oppositionsführer Sánchez wird diese Woche einen Parlamentsausschuss ins Leben rufen, der eine gründliche Neuordnung des Föderalsystems ausarbeiten soll. Dieser Initiative wollen sich sogar die konservativen Nationalisten von Ministerpräsident Puigdemont anschließen, jedoch nicht deren linke Koalitionspartner in Barcelona.