Gestiegene Auftragseingänge

Deutsche Industrie steht vor Trendwende

Das unerwartete Auftragsplus von 0,6% für die deutsche Industrie im April schürt die Hoffnung, dass das Schlimmste nun überstanden ist. Dafür sprechen nicht nur die Details, sondern auch die Ergebnisse jüngster Stimmungsumfragen.

Deutsche Industrie steht vor Trendwende

Deutsche Industrie steht vor Trendwende

Auftragseingänge steigen überraschend − Vorzieheffekte spielen keine Rolle − Rückprall bei Pharma ausgeglichen

ba Frankfurt

Die deutsche Industrie hat im April vor allem wegen der anziehenden Binnennachfrage unerwartet etwas mehr Bestellungen eingesammelt als im Vormonat. Und dies, obwohl der Anstieg im Vormonat überaus kräftig ausgefallen war. Von einem Aufschwung mögen Ökonomen noch nicht sprechen, eher von einer Trendwende. Dass sich die Aussichten verbessert haben zeigen auch die jüngsten Ergebnisse der Stimmungsbarometer. Für Zuversicht sorgt neben den Zinssenkungen der EZB auch das Finanzpaket der Bundesregierung.

Das Statistische Bundesamt (Destatis) meldet einen preis-, saison- und kalenderbereinigten Anstieg der Auftragseingänge von 0,6% zum Vormonat. Ökonomen hatten einen Rückgang um 1,5% erwartet, denn im März hatten die Bestellungen um revidiert 3,4 (zuvor: 3,6)% zugelegt. Ursächlich dafür waren Vorzieheffekte, da US-Unternehmen wegen der von US-Präsident Donald Trump verhängten Importzölle mit höheren Kosten rechnen. Im April spielte dieser Faktor keine Rolle, denn die Aufträge von außerhalb der Eurozone gaben um 0,9% nach. Der Ordereingang aus den Ländern des Euroraums stieg hingegen um 0,5%. Die Auslandsaufträge insgesamt sanken um 0,3%. Die Inlandsaufträge legten um 2,2% zu. Die ersten harten Industriedaten nach dem Liberation Day zeigten, dass „die befürchtete vollständige Umkehr des Frontloading-Effekts des ersten Quartals nicht eingetreten ist“, urteilt ING-Chefökonom Carsten Brzeski. Stattdessen sehe es so aus, als würde sich die Wende im deutschen Industriezyklus fortsetzen.

LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch ist etwas zurückhaltender: „Hinter diesen fast unscheinbaren Zahlen verbirgt sich möglicherweise eine Trendwende für die Industrie“. Denn auch im weniger stark schwankenden Dreimonatsvergleich fielen die Neubestellungen bis April um 0,5% höher als aus in den drei Monaten zuvor. „Nach so einer langen konjunkturellen Durststrecke ist man zwar eher zögerlich, schon von einem Aufschwung zu sprechen“, sagte Niklasch mit Blick auf die beiden Rezessionsjahre 2023 und 2024. „Aber zumindest hellt sich der Ausblick für die kommenden Monate derzeit deutlich auf.“

Nicht nur Großaufträge sorgen für Plus

Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, wertet als positives Zeichen, dass die Neubestellungen auch ohne Großaufträge um 0,3% zugelegt haben. Gerade die Großaufträge hatten in den vergangenen zwei Jahren die Datenreihe sehr volatil werden lassen. „Nun zeichnet sich auch ohne Berücksichtigung von Großaufträgen, es handelt sich dabei um eine Art von Kernrate, eine Bodenbildung ab“, betonte Gitzel. Allerdings könne sich ein Handelskonflikt mit den USA noch immer zum Störfeuer entwickeln. Sollte ein Abkommen mit den USA, das möglich scheine, geschlossen werden, „bestünde die Hoffnung, dass die Auftragseingänge in einen leicht ansteigenden Trend einschwenken werden“. Die Industrieproduktion würde dann in weiterer Folge davon profitieren und damit auch das gesamtwirtschaftliche Wachstum.

Rückprall bei Pharma

Der Blick in die Details der Statistik fällt für Bantleon-Chefökonom Daniel Hartmann überwiegend positiv aus. Denn im März hatten vor allem massive Bestellungen in der Pharmabranche (16,2%) das Ergebnis nach oben gezogen. Der hier absehbare Rückprall (−14,2%) sei im April problemlos von anderen Sektoren aufgefangen worden. Unter anderem vom Fahrzeugbau (2,0%), der Metallherstellung (4,4%) und Computer/Software (21,5%).

Rückgänge gab es aber auch im Bereich der Herstellung von elektrischen Ausrüstungen (−9,2%) und im Maschinenbau (−4,2%).

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