Konjunktur

Deutsche Wirtschaft im Dämmerzustand

Weltweit wird mit großer Sorge auf die deutsche Wirtschaft geschaut. Im zweiten Quartal konnte zwar wohl ein erneuter Rückgang der Wirtschaftsleistung vermieden werden. Die BIP-Details machen nicht allzu viel Hoffnung.

Deutsche Wirtschaft im Dämmerzustand

Deutsche Wirtschaft im Dämmerzustand

Bruttoinlandsprodukt stagniert im Frühjahr – Privater Konsum enttäuscht

ms Frankfurt

Die Wirtschaft in Deutschland hat im Frühjahr stagniert – nach zwei Minusquartalen im Winterhalbjahr. Das teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit und bestätigte damit seine Schnellschätzung aus dem Juli. Positiv ist, dass damit eine neuerliche Schrumpfung der Wirtschaftsleistung vermieden werden konnte. Aufgrund negativer Konjunktursignale seit der Schnellschätzung hatten viele Volkswirte mit einer Abwärtsrevision von 0,0% auf −0,2% gerechnet. Zugleich untermauern die nun veröffentlichten Details aber die schwierige Lage der deutschen Wirtschaft.

In Europa, aber auch weltweit wird derzeit mit großer Sorge auf die größte Volkswirtschaft im Euroraum geschaut. Prognosen zufolge könnte Deutschland in diesem Jahr das einzige Land im Kreis der sieben führenden Industrienationen (G7) sein, dessen Wirtschaftsleistung schrumpft. Mitunter gilt Deutschland schon wieder als „kranker Mann“ Europas oder sogar der Welt. Das hat auch eine hitzige Debatte über die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung und Streit in der Ampel entfacht.

"Nach den leichten Rückgängen in den beiden Vorquartalen hat sich die deutsche Wirtschaft im Frühjahr stabilisiert", sagte die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand, am Freitag zur Veröffentlichung der neuen Daten. Zwei Quartale hintereinander mit schrumpfender Wirtschaftsleistung gelten Fachleuten als technische Rezession.

Die Details zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal offenbarten nun vor allem eine Enttäuschung beim privaten Konsum. Der schrumpfte zwar nicht mehr wie noch im Vorquartal, mit einer Stagnation blieb er aber hinter den Erwartungen zurück. „Dies zeigt einmal mehr, dass die hohen Teuerungsraten auf das Ausgabenverhalten der privaten Haushalte drücken“, sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Der öffentliche Konsum legte nach teils merklichen Rückgängen in den Vorquartalen geringfügig um 0,1% zu.

Die Bruttoanlageinvestitionen nahmen nach der positiven Entwicklung im Vorquartal auch im zweiten Quartal leicht zu. In Ausrüstungen – also vor allem in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge – wurde dabei mit +0,6 % zum Vorquartal etwas mehr investiert als in Bauten mit +0,2 %. Als größte Belastung erwiesen sich die Exporte. Sie sanken laut Destatis unerwartet deutlich um 1,1%, während die Importe stagnierten. „Ein eindeutiges Zeichen, dass es um den Welthandel derzeit nicht gut bestellt ist“, kommentierte Gitzel.

„Solange das globale wirtschaftliche Umfeld schwach bleibt und die Inflationsraten auf relativ hohem Niveau sind, wird die deutsche Wirtschaft in der Bredouille bleiben“, sagte Gitzel. „Sowohl die kurzfristigen als auch die längerfristigen Aussichten für Deutschland sind alles andere als rosig“, sagte auch Carsten Brzeski, Global Head of Macro bei der ING. So sprächen etwa die schwache Kaufkraft, ausgedünnte Auftragsbücher in der Industrie, die aggressive geldpolitische Straffung und die Schwäche in China für eine schwache Wirtschaftstätigkeit.

Zu diesen konjunkturellen Faktoren kämen noch der Krieg in der Ukraine, der demografische Wandel, die aktuelle Energiewende sowie fehlende neue Investitionen. „Wir sehen die deutsche Wirtschaft weiter im Dämmerzustand zwischen Stagnation und Rezession“, so Brzeski.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.