Konjunktur

Deutsche Wirtschaft mit Fehlstart ins dritte Quartal

Nach dem Einzelhandelsumsatz und den Exporten ist auch die Industrieproduktion in Deutschland im Juli gesunken. Damit erhöht sich das Risiko einer neuerlichen Rezession. Die Blicke richten sich nun auch auf die Bundesregierung.

Deutsche Wirtschaft mit Fehlstart ins dritte Quartal

Kompletter Fehlstart ins dritte Quartal

Nach den Einzelhandelsumsätzen und den Exporten sorgt auch die deutsche Industrieproduktion im Juli für Enttäuschung

Genau wie der Einzelhandelsumsatz und die Exporte ist auch die Industrieproduktion in Deutschland im Juli gesunken. Damit erhöht sich das Risiko einer neuerlichen Rezession – was auch mit Blick auf die Euro-Wirtschaft Anlass zur Sorge gibt. Die Aufmerksamkeit richtet sich nun auch auf die Bundesregierung.

ms Frankfurt

Die Industrie in Deutschland hat ihre Produktion im Juli den dritten Monat in Folge und sogar stärker als ohnehin erwartet heruntergefahren. Zusammen mit den zuvor schon enttäuscht ausgefallenen Einzelhandelsumsätzen und Exporten im Juli ist damit der Start ins dritte Quartal mächtig misslungen. Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Erholung im zweiten Halbjahr scheinen sich damit endgültig erledigt zu haben – stattdessen wächst die Angst vor einer erneuten Rezession. Das erhöht auch den Druck auf die Bundesregierung.

Seit Herbst in der Krise

Die deutsche Wirtschaft steckt im Grunde seit dem Herbst vergangenen Jahres in Schwierigkeiten. Nach der technischen Rezession im Winterhalbjahr 2022/2023 war sie aber im Frühjahr zumindest nicht weiter geschrumpft – was Hoffnungen auf eine Wende zum Besseren geschürt hatte. In den vergangenen Wochen haben jedoch die Signale und mithin die Ängste zugenommen, dass es nun wieder bergab geht und Deutschland erneut in die Rezession rutschen könnte. Die Krise in Deutschland belastet auch die Wirtschaft im Euroraum insgesamt.

Im Juli nun sank die Gesamtproduktion der deutschen Industrie zum Vormonat um 0,8%, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt mit einem Minus von nur 0,4% oder 0,5% gerechnet. Im Juni hatten Industrie, Bau und Energieversorger zusammen 1,4% weniger produziert. Im weniger schwankenden Dreimonatsvergleich ging die Produktion bis Juli um 1,9% zurück. Gegenüber dem Vorjahresmonat war die gesamte Herstellung im Juli um 2,1% rückläufig.

„Über der Industrie hängen weiter dunkle Wolken", sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. „Der Schrumpfmodus hat den Sektor nach wie vor fest im Griff.“ Carsten Brzeski, Global Head of Macro bei der ING, hob hervor, dass die Industrieproduktion heute, mehr als drei Jahre nach Beginn von Covid-19, immer noch mehr als 7% unter dem Niveau vor der Pandemie liege. Vor allem die energieintensiven Sektoren litten. „Die Industrieproduktion dümpelt nun seit mehr als zwei Jahren vor sich hin“, sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank.

„Die Einzelhandelsumsätze, die Exporte und nun auch die Industrieproduktion sind im Juli gesunken und haben der deutschen Wirtschaft einen sehr schwachen Start ins dritte Quartal beschert“, sagte Brzeski. „Die Gesamtheit der harten Makrodaten für Juli lässt darauf schließen, dass das Risiko einer Rezession wieder hoch ist.“ Der Einzelhandelsumsatz war im Juli zum Vormonat kalender- und saisonbereinigt nominal um rund 0,8% gesunken. Die Ausfuhren deutscher Exporteure fielen im Juli um 0,9% im Vergleich zum Vormonat. „Das zweite Halbjahr sollte recht schnell abgeschrieben werden“, sagte auch Gitzel. „Die Hoffnungen beruhen jetzt schon auf einem besseren Jahr 2024.“

Angesichts der anhaltenden Schwäche richten sich nicht nur die Blicke der Ökonomen auch auf die Bundesregierung. Die Ampel-Koalition hat bereits ein Wachstumschancengesetz beschlossen, und am Mittwoch hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Ländern, Kommunen und der Opposition mit Ausnahme der AfD einen „Deutschland-Pakt“ zur Modernisierung des Landes vorgeschlagen. Als Kernpunkte nannte er die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, die Digitalisierung der Verwaltung und die Unterstützung für Unternehmen.

„Das Land scheint sich endlich der Tatsache bewusst zu werden, dass es in den letzten zehn Jahren aufgrund unzureichender Investitionen und kaum vorhandener Strukturreformen an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verloren hat. Sowohl die Pandemie als auch der Krieg in der Ukraine haben die Probleme verschärft“, sagte Brzeski. „Jetzt müssen wir auf konkretere politische Maßnahmen warten. Bis dahin scheint die Stagnation in der Industrie und der Gesamtwirtschaft die neue Normalität zu sein.“

Michael Berlemann, wissenschaftlicher Direktor des Wirtschaftsinstituts HWWI, mahnt aber zur Vorsicht. „Trotz der derzeit schwachen Konjunktur sind Nachfrageprogramme keine sinnvolle Option. Die Inflation ist immer noch weit von ihrem Zielwert entfernt, so dass sich Nachfrageimpulse aktuell verbieten, um nicht die restriktive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank zu konterkarieren.“

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