Konjunktur

Deutsche Wirtschaft rutscht weiter in die Rezession

Das Ifo-Geschäftsklima ist zwar nicht so stark gefallen wie befürchtet, doch befindet es sich damit tief im Rezessionsbereich. Ifo-Chef Fuest spricht von einem „schweren Winter“. Verschlimmert wird die Situation durch eine immer zögerlichere Kreditvergabe der Banken.

Deutsche Wirtschaft rutscht weiter in die Rezession

Angesichts der Energiekrise und Rezessionssorgen hat sich die Stimmung in den Chefetagen deutscher Firmen im Oktober noch weiter verschlechtert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex fiel auf 84,3 Zähler von revidiert 84,4 Punkten im Vormonat, wie das Münchner Ifo-Institut am Dienstag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten allerdings mit einem stärkeren Rückgang auf 83,3 Punkte gerechnet.

Die Befragten beurteilten im Detail ihre Geschäftslage zwar schlechter, bewerteten die Aussichten allerdings weniger düster als zuletzt. „Trotzdem blicken die Unternehmen sorgenvoll auf die nächsten Monate. Die deutsche Wirtschaft steht vor einem schweren Winter“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Sein Kollege Klaus Wohlrabe wird noch deutlicher: „Die Winterrezession kommt“, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen. Im laufenden vierten Quartal dürfte das Bruttoinlandsprodukt um 0,6% zum vorangegangenen Vierteljahr schrumpfen. Knapp zwei Drittel der Unternehmen würden nach wie vor unter Lieferengpässen leiden.

Problemfeld Einzelhandel

„Sorgenkind bleibt der Einzelhandel“, analysierte Wohlrabe auf der Basis der Ifo-Umfrage. Dort seien die Erwartungen abermals auf ein Rekordtief gefallen. „Da ist die Sorge groß, dass die Kunden zu Hause bleiben wegen der Inflation“, sagte der Experte. Die Teuerungsrate lag zuletzt bei 10%, was an der Kaufkraft der Verbraucher nagt. Der Umfrage zufolge plant etwa jedes zweite Unternehmen, in den kommenden drei Monaten seine Preise anzuheben.

„Auch im Gastgewerbe hat sich die Stimmung stark eingetrübt“, sagte Wohlrabe. Auch hier spiele die von teurer Energie infolge des russischen Krieges gegen die Ukraine befeuerte Inflation eine Rolle – aber womöglich auch die wieder wachsende Furcht vor einer neuen Corona-Welle. Ebenfalls schlecht läuft es im Bausektor. „Er ist von Stornierungen geplagt, daher verdüstert sich die Stimmung immer weiter.“ Zudem steigen Kredit- und Materialkosten. „Die Branche wird in die Zange genommen“, sagte Wohlrabe.

Auf Schrumpfungskurs

„Dass das Ifo-Geschäftsklima im Oktober faktisch nicht weiter gefallen ist, ist keine Entwarnung“, schrieb Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Nach wie vor bewege sich das Barometer auf Niveaus, auf denen die deutsche Wirtschaft in der Vergangenheit geschrumpft war. Vor diesem Hintergrund bleibt er bei der Prognose, dass die Wirtschaft im Winterhalbjahr schrumpfen wird.

Alexander Krüger, Chefvolkswirt von Hauck Aufhäuser sieht die Unternehmen bereits „im Depressionsmodus“ verhaftet, die Energiekrise ersticke das Wirtschaftsleben. Und weil immer mehr Verbraucher in Deckung gingen, stelle sich nur noch die Frage nach Dauer und Tiefe der Rezession. Krüger: „Krisenverschärfend wirkt zudem der unkoordinierte und eiernde Politikkurs der Bundesregierung. Immer mehr spukt das Insolvenzgespenst, auch, weil sich der Kreditzugang für Unternehmen deutlich erschwert hat. Die Themen Arbeitsplatzabbau und Produktionsverlagerung ins Ausland kommen erst noch.“

Kredite werden zögerlicher vergeben

Auch bei der Finanzierung stoßen Unternehmen zunehmend auf Probleme: Firmen in Deutschland kommen inzwischen nicht mehr so leicht an Kredite. Wie eine Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigt, legten die Geldinstitute hierzulande im dritten Quartal strengere Vergaberichtlinien an. Und bei den privaten Wohnungsbaudarlehen erhöhten sich die Kreditrichtlinien zum zweiten Mal in Folge so stark wie noch nie seit Einführung der EZB-Umfrage im Jahr 2003. Auch die Richtlinien für Konsumenten- und sonstige Darlehen wurden beträchtlich restriktiver ausgestaltet. Die strengeren Vergabemaßstäbe begründeten die Banken in erster Linie mit einem ihrer Ansicht nach gestiegenen Kreditrisiko.

Bundesbank: An der Schwelle zur Rezession

Das insgesamt weiter trübe Stimmungsbild in der Wirtschaft passt zur Einschätzung der Bundesbank, die Deutschland an der Schwelle zur Rezession sieht. Sie versteht darunter einen deutlichen, breit angelegten und länger anhaltenden Rückgang der Wirtschaftsleistung.

Die hohe Inflation und die Unsicherheit über die Energieversorgung lasten auf der deutschen Konjunktur. Bereits im zurückliegenden Sommerquartal könnte das Bruttoinlandsprodukt laut Bundesbank schon nicht mehr gewachsen sein. Im gerade begonnenen Winterhalbjahr werde es dann wohl deutlich sinken, so die Volkswirte der Bundesbank.

Für die am Freitag anstehenden Daten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal erwarten von Reuters befragte Experten einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2%. Im Frühjahr war beim BIP nur ein Miniwachstum von 0,1% herausgesprungen.