BIP deutlich herunter revidiert

Deutsche Wirtschaft schwächer als erwartet

Wegen der zuletzt deutlich schwächeren Produktion von Industrie und Bau ist die deutsche Wirtschaft stärker geschrumpft als zunächst gemeldet. Auch der private Konsum fiel geringer aus als gedacht.

Deutsche Wirtschaft schwächer als erwartet

Deutsche Wirtschaft schwächer als erwartet

BIP für das zweite Quartal deutlich herunter revidiert – Konsum stützt

ba Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft ist im Frühjahr vor allem wegen der schwächelnden Industrie und Baubranche stärker geschrumpft als zunächst gemeldet. In den drei Monaten bis Juni gab das Bruttoinlandsprodukt (BIP) preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,3% zum Vorquartal nach. In der ersten Schnellmeldung hatten die Statistiker noch einen Rückgang um 0,1% verzeichnet, nachdem die Wirtschaftsleistung zum Jahresstart wegen der Vorzieheffekte in Erwartung höherer US-Importzölle um 0,3% zugelegt hatte. Die erhoffte Aufholbewegung lässt derweil auf sich warten: Im laufenden Quartal dürfte die Wirtschaft stagnieren, erwartet die Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht. Der Einkaufsmanagerindex verheißt mit dem Anstieg um 0,3 auf 50,9 Punkte im August zumindest ein schmales Wachstum.

Industrieproduktion belastet

„Vor allem die Industrieproduktion entwickelte sich schlechter als zunächst angenommen“, begründeten die Statistiker die deutliche Abwärtskorrektur, ebenso wie die Bauproduktion. Aber auch der private Konsum sei wegen neuer Informationen zu den Dienstleistungsbereichen wie dem Gastgewerbe für Juni nach unten revidiert worden. „Das Ergebnis zeigt auch, in welchem Spannungsfeld sich die amtliche Statistik bewegt“, erklärt Christoph Swonke, Konjunkturanalyst der DZ Bank. Einerseits solle sie zeitnah Daten zur wirtschaftlichen Lage und Entwicklung liefern, andererseits beruhten sowohl die Schnellschätzungen als auch die späteren Meldungen auf einem unvollständigen Datenkranz. „Das erhöht die Revisionsanfälligkeit nachträglich.“

In Folge der deutlichen Abwärtsrevisionen der BIP-Zahlen für 2023 (von –0,1% auf –0,7%) und 2024 (von –0,2% auf –0,5%) „liegt die Größe der deutschen Wirtschaft derzeit noch leicht unter dem Niveau von 2019, was wohl das beste und schmerzlichste Beispiel für Stagnation ist“, ergänzt ING-Chefökonom Carsten Brzeski. „Die diesjährigen Revisionen sind höher als gewöhnlich, in ähnlichem Ausmaß aber auch bei früheren Sommerüberarbeitungen krisengeprägter Berichtsjahre (zum Beispiel Corona-Jahre 2020 und 2021) aufgetreten“, heißt es dazu bei Destatis. Zudem habe sich die Preisbereinigung verbessert.

Die privaten Konsumausgaben werden nun mit einem Plus von 0,1% zum Vorquartal ausgewiesen – in der Schnellmeldung gab es dazu noch keine genaue Angabe. Gespeist wird er wohl vor allem aus dem Sparstrumpf: Da der Konsum im Vorjahresvergleich um 3,7% zulegte, ihr gesamtwirtschaftliches Einkommen aber um 2,5%, reduzierte sich die Sparquote auf 9,7%. Im Vorjahr waren es noch 10,8%. Der Staat steigerte den Konsum um 0,8%, so dass die Konsumausgaben insgesamt um 0,3% zulegten.

Die Bruttoanlageinvestitionen gaben um 1,4% nach, in Ausrüstungen – also vor allem in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge – wurde 1,9% weniger investiert. Die Investitionen in Bauten nahmen sogar um 2,1% ab.

Keine Impulse vom Außenhandel

„Auch vom Außenhandel blieben positive Impulse aus“, kommentierten die Statistiker den Rückgang der Exporte von Waren und Dienstleistungen um 0,1%. Ursächlich war der Rückgang der Warenexporte um 0,6%. Die Importe von Waren und Dienstleistungen stiegen im Vorquartalsvergleich erneut deutlich, und zwar um insgesamt 1,6%. „Das fette Minus bei den Exporten ist das Ergebnis des zollgehemmten Handels“, kommentierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Der nun vereinbarte Zoll-Deal mit den USA werde erst einmal Wachstum kosten. Er sieht Zölle von 15% auf Importe aus der EU vor. „Die Wachstumsbelebung zu Jahresbeginn war nur ein Strohfeuer, mehr nicht.“

„Das zweite Quartal dürfte vermutlich das schwächste Quartal in diesem Jahr sein“, vermutet KfW-Chefvolkswirt Dirk Schumacher. Die Einigung im Handelskonflikt sollte die Unsicherheit dämpfen und der Fiskalimpuls sollte nun immer mehr spürbar werden. Dieser werde allerdings allein nicht ausreichen, um die Wirtschaftsleistung nachhaltig zu steigern, mahnt Krüger. „Wichtig ist, dass von ihr kapazitätssteigernde Impulse ausgehen.“ Ausgaben für Militär und Infrastruktur müssten so gesteuert werden, dass Produktivitäts- und Innovationsschübe entstehen können.

„Der deutsche Mittelstand könnte zu einem Opfer der US-Zölle werden“, warnt Brzeski, „da diese Hidden Champions mehr Schwierigkeiten haben werden, ihre Produktion zu verlagern als große Unternehmen“. „Es ist schwer vorstellbar, wie die exportabhängige deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte aus der scheinbar endlosen Stagnation herauskommen soll.“

Hinzu komme der stärkere Euro-Wechselkurs – nicht nur gegenüber dem Dollar, sondern auch gegenüber vielen anderen Währungen.

Erwerbstätigkeit stagniert

Im zweiten Quartal wurde die Wirtschaftsleistung von rund 46,0 Millionen Erwerbstätigen mit Arbeitsort in Deutschland erbracht. Das waren 10.000 Personen mehr als im Vorjahr, bedeutet allerdings eine Stagnation. Dabei standen den Rückgängen im verarbeitenden Gewerbe und im Baugewerbe Anstiege im Dienstleistungsbereich gegenüber. Je Erwerbstätigen wurden im Schnitt 0,5% weniger Arbeitsstunden geleistet als im Vorjahr. Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen – also das Produkt aus der gestiegenen Erwerbstätigenzahl und den geleisteten Stunden je erwerbstätiger Person – sank im gleichen Zeitraum ebenfalls um 0,5%. Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität – gemessen als preisbereinigtes BIP je Erwerbstätigenstunde – nahm laut Destatis um 0,3% zu. Je Erwerbstätigen sank sie dagegen um 0,2% im Vergleich zum Vorjahresquartal.