Deutsche Wirtschaft steht vor heftiger Rezession

Experten erwarten größeren Einbruch als in der Weltfinanzkrise - Sorgen um den Arbeitsmarkt

Deutsche Wirtschaft steht vor heftiger Rezession

ms Frankfurt – Die deutsche Wirtschaft steuert wegen des Coronavirus auf die schlimmste Rezession seit Ende des Zweiten Weltkriegs zu. Zu dieser Einschätzung gelangen immer mehr professionelle Beobachter. Gestern warnten sowohl Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) als auch das Münchener Ifo-Institut, dass der Einbruch infolge des Virus und der Schutzmaßnahmen zur Eindämmung noch schlimmer ausfallen könne als in der Weltfinanzkrise 2008/2009. Auch die Bundesbank prognostizierte gestern eine “ausgeprägte Rezession”.Altmaier sagte in Berlin, der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) werde in diesem Jahr “mindestens so hoch sein” wie in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Im Jahr 2009 war die Wirtschaftsleistung preis- und kalenderbereinigt um 5,7 % geschrumpft – so stark wie nie in Nachkriegszeiten. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte, bei den Berechnungen für den Nachtragshaushalt (siehe Text oben auf dieser Seite) habe sein Ministerium ein Minus von “etwa 5 %” unterstellt.Noch einmal düsterer äußerte sich gestern das Ifo-Institut. Je nach Szenario werde die Wirtschaft um 7,2 bis 20,6 Prozentpunkte schrumpfen, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest: “Die Kosten werden voraussichtlich alles übersteigen, was aus Wirtschaftskrisen oder Naturkatastrophen der letzten Jahrzehnte in Deutschland bekannt ist”, so Fuest. Ifo-Institut sieht schwarz”Wenn die Wirtschaft zwei Monate lang teilweise stillsteht, entstehen Kosten je nach Szenario zwischen 255 und 495 Mrd. Euro. Die Wirtschaftsleistung schrumpft dann im Jahr um 7,2 bis 11,2 Prozentpunkte”, sagte Fuest. Unterstellt ist dabei im besten Szenario, dass die Wirtschaftsleistung für zwei Monate auf 59,6 % zurückgeht, sich im dritten Monat wieder auf 79,8 % erholt und schließlich im vierten Monat wieder 100 % erreicht. “Bei drei Monaten Teilschließung erreichen die Kosten bereits 354 bis 729 Mrd. Euro, das sind 10,0 bis 20,6 Prozentpunkte Wachstumsverlust”, so Fuest.”Auch am Arbeitsmarkt kommt es durch die Krise zu massiven Verwerfungen. Diese stellen die Zustände auf dem Höhepunkt der Finanzkrise in den Schatten”, sagte Fuest. Demnach könnten bis zu 1,8 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze (oder 1,4 Millionen Vollzeitjobs) abgebaut werden und mehr als 6 Millionen Arbeitnehmer von Kurzarbeit betroffen sein. Vergangene Woche hatte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geschätzt, dass die Zahl der Arbeitslosen 2020 3 Millionen übersteigen dürfte, sollte sich die Wirtschaftstätigkeit bis Jahresende nicht ganz normalisieren (siehe Interview auf dieser Seite).Auch die Bundesbank reihte sich gestern in den Kreis der Warner ein. “Das Abgleiten in eine ausgeprägte Rezession ist nicht zu verhindern”, heißt es in dem gestern veröffentlichten Monatsbericht März. Eine wirtschaftliche Erholung werde erst dann einsetzen, wenn die Pandemiegefahr wirksam eingedämmt sei. Die konjunkturelle Entwicklung sei “von beispielloser Unsicherheit gekennzeichnet”. In Deutschland seien binnenwirtschaftlich orientierte, konsumnahe Dienstleistungsbranchen am stärksten betroffen, die bislang die Konjunktur gestützt haben – etwa das Gastgewerbe und die Unterhaltungsbranche, aber auch Messebetriebe und Luftfahrtunternehmen. Daneben seien auch andere Unternehmen von potenziellem Arbeits- und Umsatzausfall beeinträchtigt. Hinzu träten sinkende Exporte, unter denen vor allem die Industrie leide. Außerdem befürchtet die Bundesbank Lieferengpässe bei wichtigen Vorprodukten. All das könne “negative Vertrauens- und Zweitrundeneffekte im Inland auslösen”.