Erwerbstätigkeit

Deutscher Arbeitsmarkt boomt

Nie waren mehr Menschen in Deutschland erwerbstätig als im vergangenen Jahr. Doch die Trendwende ist Ökonomen zufolge bereits in Sicht, und auch sonst warten Herausforderungen auf den deutschen Arbeitsmarkt.

Deutscher Arbeitsmarkt boomt

ast Frankfurt

Der Arbeitsmarkt in Deutschland boomt: Nie zuvor seit der Wiedervereinigung waren mehr Menschen erwerbstätig als 2022. Trotz der angespannten Lage aufgrund von Pandemie-Folgen und gestiegenen Kosten für Energie und Lebensmittel infolge des Kriegs in der Ukraine registrierte das Statistische Bundesamt mit 45,6 Millionen Erwerbstätigen einen neuen Rekord. Experten erwarten allerdings, dass die Erwerbstätigkeit in diesem Jahr ihren Höhepunkt erreicht.

Wie die Statistiker am Montag mitteilten, stieg die Zahl der Erwerbstätigen mit Wohnsitz in Deutschland im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr kräftig um 589000 Personen (+1,3%). Der bisherige Höchststand aus dem Jahr 2019 (45,3 Millionen) wurde somit um 292000 Personen deutlich überschritten. Die Delle, die die Coronakrise 2020 nach einem zuvor mehr als 14 Jahre andauernden Anstieg der Erwerbstätigenzahl verursacht hatte, ist damit mehr als ausgewetzt. Im ersten Coronajahr hatte Destatis einen Rückgang der Erwerbstätigenzahl um 362000 Personen gemessen. Im Jahr 2021 wiederum war die Zahl nur leicht um 0,1% gewachsen.

Besonders deutlich stockten 2022 die Dienstleister ihr Personal auf. 93% des Anstiegs der Erwerbstätigkeit ging auf diesen Sektor zurück. Destatis registrierte eine Zunahme um 548000 Personen (+1,6%). Das größte Plus verzeichnete der Bereich „öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit“ mit 189000. „Diese Branche hatte bereits während der Corona-Jahre 2020 und 2021 ihre Erwerbstätigenzahl in ähnlicher Größenordnung gesteigert“, erklärte Destatis. Im produzierenden Gewerbe stieg die Erwerbstätigenzahl nur um 31000 (+0,4%) auf 8,1 Millionen. Im Baugewerbe steht ein Plus von 13000 (+0,5%) auf rund 2,6 Millionen Personen zu Buche.

Babyboomer im Rentenalter

Entscheidend für die positive Entwicklung war die Zahl der Arbeitnehmer, die im Jahresdurchschnitt um 643000 oder 1,6% wuchs. Bei den Selbständigen setzte sich hingegen der seit elf Jahren dauernde Abwärtstrend fort: Ihre Zahl sank um 54000 Personen auf 3,9 Millionen.

Dass die Erwerbstätigkeit im vergangenen Jahr so deutlich zulegte, führen die Statistiker auf zwei Gründe zurück. „Eine Ursache für die Beschäftigungszunahme im Jahr 2022 war die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte“, erklärte Destatis. „Hinzu kam eine gesteigerte Erwerbsbeteiligung der inländischen Bevölkerung.“ Diese beiden Wachstumsimpulse überwogen demzufolge die dämpfenden Effekte des demografischen Wandels auf den Arbeitsmarkt, der mittelfristig zu einem deutlichen Rückgang der Bevölkerung im Erwerbsalter führen wird. Ab Mitte des Jahrzehnts werden die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten „Babyboomer“, in Rente gehen und eine Lücke auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen.

Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet wie auch andere Wirtschaftsinstitute damit, dass die Erwerbstätigkeit in diesem Jahr ihren Höhepunkt erreichen und ab dem kommenden Jahr sinken wird. In ihrem Konjunkturausblick für den Winter 2022 schreiben die IfW-Ökonomen: „Gedämpft wird die Arbeitsnachfrage der Unternehmen in erster Linie von den wirtschaftlichen Folgen der Energiekrise, aber auch die kräftige Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro dürfte negative Beschäftigungseffekte hervorrufen.“

Die Personalnachfrage schwächte sich im Dezember bereits ab. Der Stellenindex BA-X der Bundesagentur für Arbeit (BA) sank um einen Punkt auf 127 Zähler – auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2021. Grund ist der BA zufolge die drohende Rezession: „Die Kräftenachfrage wurde in den letzten Monaten vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten spürbar schwächer, liegt aber weiter auf einem vergleichsweise hohen Niveau.“ Am Dienstag veröffentlicht die BA ihren aktuellen Monatsbericht zur Arbeitslosigkeit. Erwartet wird eine leichte Zunahme.

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