Deutschland braucht ein Update bei F&E
Deutschland braucht ein Update bei F&E
Deutschland braucht ein Update bei Forschung & Entwicklung
Kapitalhunger und Struktur moderner Hochtechnologie erfordern neue Ansätze bei staatlicher Förderung – OECD-Daten zur Innovationspolitik
lz Frankfurt
Von Stephan Lorz, Frankfurt
„Wir dürfen nicht zulassen, dass die USA und dass China allein die technologische Zukunft bestimmen – für unseren Wohlstand, für unsere Sicherheit und letztendlich auch für unsere Freiheit“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) unlängst in Berlin und stellte eine Hightech-Agenda vor. Deutschland sei wegen seiner jahrzehntelangen Erfolge zuletzt „etwas träge geworden“, beklagte er. Das muss sich seinen Worten nach ändern, weil es dabei auch um die technologische Souveränität des Landes gehe.
In diesem Zusammenhang wird in den Technologiedebatten relativierend stets auf die exzellente Forschungsbasis in Deutschland verwiesen. Bei Quantencomputing, Chipdesign, Biotechnologie und Künstlicher Intelligenz etwa stehe man ja an vorderster Innovationsfront. Man habe nur das Problem, dass diese Erfolge nicht schnell genug selbst privatwirtschaftlich umgesetzt würden. Stattdessen ziehe es ab einer gewissen Technologiereife dann viele Spitzenforscher zur Gründung von Unternehmen ins Ausland – oder ausländische Unternehmen greifen gleich darauf zu. Also, alles nur eine Frage schlechter Startup-Kultur?
Veränderte Förderstruktur
Jüngste Daten der Industrieländerorganisation OECD zeigen nun aber, dass Deutschland womöglich auch bei Forschung & Entwicklung in neue Probleme hineinläuft, weil andere Länder schneller dabei waren, ihre Förderstrategien zu modernisieren. Obendrein hat der Kapitalaufwand gerade in Sektoren, die wie KI als zukunftsbestimmend eingeordnet werden, inzwischen Größenordnungen erreicht, dass die direkte staatliche Förderung kaum mehr ins Gewicht fällt.
Betrachtet man die F&E-Aufwendungen insgesamt, liegt Deutschland mit einem Anteil von 3,11% der Wirtschaftsleistung (BIP) zwar noch im vorderen Drittel auf dem achten Platz. Doch Israel, Südkorea, Schweden, USA, Japan und selbst Belgien und Österreich sind den OECD-Daten zufolge viel engagierter bei der Sache.
Rüstung im toten Winkel
Auch die Struktur staatlicher Forschungsförderung scheint hierzulande weniger auf Cluster ausgelegt, wie in vielen anderen Ländern. Nach wie vor wird der Löwenanteil in die universitäre Grundfinanzierung gesteckt. Zudem sind Ausgaben etwa für die Rüstungsforschung, deren Ergebnisse auch in viele zivile Produkte Einzug halten, hierzulande kaum existent, während sie anderswo eine viel größere Rolle spielen.

Und wenn es um die Förderung von Forschung in der Privatwirtschaft geht, setzt die Bundesregierung offenbar nach wie vor zu stark auf direkte Zuwendungen, während die allermeisten anderen Länder – auch angesichts des enormen Kapitalaufwands bei moderner Technologieforschung – eher auf Steueranreize wechseln. Mehr als die Hälfte der Mitgliedsstaaten, so die OECD, seien angesichts des Wandels in der Forschungslandschaft inzwischen auf indirekte Hilfen umgeschwenkt.
Abfluss von Investitionen
Die Staaten sollten sich nach Ansicht der OECD zudem verstärkt darum kümmern, das öffentliche Ökosystem der Forschung auch für privates Kapital zu öffnen. Ferner müssten die öffentlichen Einrichtungen stärker auf Querschnittsforschung ausgerichtet werden, um dem Ressortdenken getrennter Forschungsdisziplinen zu entkommen. Wissenschaften seien zunehmend miteinander verflochten. Synthetische Biologie und Quantencomputing etwa kämen gemeinsam besser voran.
Dass der Standort Deutschland auch im Hochtechnologiebereich zunehmend an Einfluss verliert, zeigen nicht nur Umfragen im jüngsten CFO-Survey der Deloitte-Unternehmensberatung. Auch neue Daten zum Fluss von Direktinvestitionen weisen in diese Richtung. Im EU-Raum haben die ausländischen Direktinvestitionen im ersten Halbjahr 2025 bereinigt zwar um 4% zugelegt, meldet die OECD. Aber insbesondere Deutschland habe „höhere eigenkapitalorientierte Abflüsse in Verbindung mit einer verstärkten Reinvestition von Gewinnen verbucht“, heißt es im Bericht. Rund 37 Mrd. Dollar an Abflüssen in den ersten beiden Quartalen des Jahres stehen 24 Mrd. Dollar an Zuflüssen gegenüber – letzteres vor allem aufgrund innerbetrieblicher Verrechnungen.