Deutschland hat 2020 wieder mehr Potenzial

Konjunkturtableau: Wachstumslücke zu den anderen Ländern der Eurozone könnte sich verringern

Deutschland hat 2020 wieder mehr Potenzial

Von Alexandra Baude, FrankfurtDas Jahr 2019 war für die deutsche Wirtschaft eher eines zum Vergessen. Zum Jahresbeginn herrschte noch eine große Zuversicht, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Bereich zwischen 1,5 % und 1,8 % zulegen könnte. Im Jahresverlauf allerdings wurden die Prognosen stetig zurückgenommen. Zum Jahresende hin haben sich die Voraussagen der Experten bei einem mageren Plus von 0,5 % eingependelt. Diese Median-Prognose hat das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) auch für das aktuelle Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung ermittelt. Wobei man von “Prognosen” nur deshalb noch sprechen könne, weil die ersten offiziellen Angaben für das BIP-Wachstum im vierten Quartal 2019 (sowohl für Deutschland als auch den Euroraum) erst am 14. Februar 2020 veröffentlicht würden, wie ZEW-Experte Michael Schröder anmerkt. Die ersten Daten zum hiesigen BIP – allerdings ohne den Wert für das Schlussquartal – veröffentlicht das Statistische Bundeamt (Destatis) am kommenden Mittwoch, eine erste Schnellschätzung für den gemeinsamen Währungsraum gibt es am 31. Januar 2020.Dass die deutsche Wirtschaft im Vergleich zum Eurogebiet – hier liegt die Prognose bei +1,2% – weit unterdurchschnittlich zugelegt hat, liegt vor allem an der hohen Exportabhängigkeit. Zu stark haben im abgelaufenen Jahr die negativen Einflüsse der von den USA ausgehenden Handelskonflikte, des unsicheren Brexit-Ausgangs und auch der Probleme im Automobilsektor die Wirtschaft gebremst. Jobmarkt beflügeltDie Wachstumstreiber werden vor allem der private, aber auch der staatliche Konsum sowie die Bautätigkeit sein. Angesichts der hohen Unsicherheit wurde die Investitionstätigkeit gedämpft, und auch der Außenbeitrag wird das Wachstum eher belastet haben. Der Rückenwind für den privaten Konsum, für den das Tableau einen Anstieg von 1,5 % voraussagt (siehe Tabelle), kommt hauptsächlich vom Arbeitsmarkt, der sich weiter recht positiv entwickelt hat, wenn auch im Jahresverlauf mit nachlassender Dynamik. Die Arbeitslosenquote im Dezember lag bei 4,9 %, und dieser Wert dürfte Schröder zufolge ungefähr auch dem Jahresdurchschnitt entsprechen. Damit hätte sich die Arbeitslosenquote auch 2019 weiter verringert, nach 5,2 % im Jahresdurchschnitt 2018 und 5,7 % für 2017.An diesen Entwicklungen soll sich laut Schröder auch 2020 nichts grundsätzlich ändern, wenn es nach den Konjunkturprognosen von Banken, nationalen und internationalen Institutionen geht. Für 2020 haben die Auguren die Prognose für das BIP-Wachstum für Deutschland um 0,1 Punkte auf 0,8 % nach oben geschraubt. Für das Eurogebiet liegt die Voraussage unverändert bei 1,1 %. Dass sich die Wachstumslücke Deutschlands zum Euro-Durchschnitt etwas verringern könnte, liegt vor allem an den gestiegenen Prognosen für den Staatskonsum (+0,3 Punkte auf 1,9 %), beim Privatkonsum und bei den Anlageinvestitionen werden je 0,1 Punkte mehr erwartet als bei der vorherigen Veröffentlichung (siehe BZ vom 6.11.2019). Und auch die Exporterwartungen wurden nach oben geschraubt: um 1,0 Punkte auf 2,4 %, allerdings sollten die Importe (+0,3 Punkte auf 3,1 %) stärker zulegen, so dass sich auch 2020 der Außenbeitrag dämpfend auswirken wird.Die nach wie vor relativ niedrigen Wachstumsprognosen weisen sowohl für den Euroraum als auch für dessen größte Volkswirtschaft “auf eine hohe Verwundbarkeit der Wirtschaftsentwicklung hin”, mahnt Schröder. “Der neuerlich aufgeflammte USA-Iran-Konflikt etwa könnte negative Wirkungen auf die weltweite Wirtschaftsentwicklung entfalten.” Aber auch die internationalen Handelskonflikte mit den USA könnten jederzeit wieder virulent werden und den Welthandel weiter zurückwerfen. Zudem ist 2020 ein Schaltjahr, so dass die Wachstumsrate für Deutschland arbeitstäglich bereinigt 0,4 Punkte niedriger liegt.Der langfristige Wachstumsausblick hat sich inzwischen auch für die USA etwas aufgehellt. Die Steigung der Zinsstrukturkurve, die Differenz zwischen langfristigen und kurzfristigen Zinsen ist wieder leicht positiv. Auf Sicht von circa 1 bis 1,5 Jahren hat sich damit die von den Kapitalmärkten wahrgenommene Rezessionsgefahr weiter reduziert.