ExklusivKonjunkturtableau

Deutschland kommt nicht voran

Experten zweifeln zwar, ob die deutsche Wirtschaft tatsächlich um 0,1% und nicht vielleicht doch stärker im dritten Quartal geschrumpft ist. An den Prognosen für die Jahre 2023 und 2024 halten sie im Konjunkturtableau aber fest. Im kommenden Jahr sollte zumindest der Anschluss an den Euroraum wieder klappen.

Deutschland kommt nicht voran

Deutschland kommt nicht voran

Prognosen im Konjunkturtableau kaum verändert – Privatkonsum soll Wirtschaft 2024 anschieben

Experten zweifeln zwar, ob die deutsche Wirtschaft tatsächlich um 0,1% und nicht vielleicht doch stärker im dritten Quartal geschrumpft ist. An den Prognosen für die Jahre 2023 und 2024 halten sie im Konjunkturtableau aber fest. Im kommenden Jahr sollte zumindest der Anschluss an den Euroraum wieder klappen.

Von Alexandra Baude, Frankfurt

Deutschland hinkt dem Euroraum hinterher, und die konjunkturellen Aussichten sind trübe. Dies zeigen nicht nur die jüngst enttäuschend ausgefallenen Konjunkturdaten und die düsteren Prognosen des Sachverständigenrats Wirtschaft, sondern auch das aktuelle Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung und des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Dass sich Deutschland so schnell nicht aus der Wachstumsmisere lösen kann, machten die sogenannten Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten deutlich, das diese Woche an Bundeskanzler Olaf Scholz übergeben wurde: Derzeit liege die deutsche Wirtschaftsleistung nahezu auf demselben Niveau wie zu Beginn der Corona-Pandemie. Die mittel- bis langfristige Projektion des Produktionspotenzials deute allerdings spürbare Wachstumshemmnisse für die kommenden Jahrzehnte an, heißt es darin.

Nahost-Konflikt zeigt sich nicht

Zumindest eine Sorge für die Entwicklung der Wirtschaft hat sich nicht manifestiert: Der Krieg in Nahost schlägt sich bislang nicht in den Wachstums- und Inflationserwartungen der Experten im Konjunkturtableau für Deutschland oder das Eurogebiet nieder. „Dies könnte auch damit zusammenhängen, dass sich der nach dem Ausbruch des Konflikts befürchtete Anstieg der Ölpreise letztlich nicht realisiert hat“, erklärte ZEW-Experte Alexander Glas.

Mit ihren Median-Prognosen für das laufende Jahr zeigen sich die Experten derzeit noch wohl – im Vergleich zum Konjunkturtableau von Oktober wird für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) unverändert ein Schrumpfen um 0,4% vorausgesagt. Und dies, obwohl die in den vergangenen beiden Wochen veröffentlichten Septemberdaten für die deutsche Wirtschaft schwach ausgefallen sind: Industrieproduktion, Exporte, Einzelhandelsumsätze und die Neubestellungen ohne Großaufträge sind im Monatsvergleich – teils deutlich – gesunken.

Revision erwartet

Ökonomen erwarten daher, dass das Statistische Bundesamt (Destatis) die Wachstumszahlen für das dritte Quartal nach unten schrauben muss. In der ersten Schnellschätzung wurde ein Minus von real 0,3% bzw. preis-, saison- und kalenderbereinigt 0,1% gemeldet. Am 24. November sollen ausführliche Ergebnisse veröffentlicht werden. Das Bundeswirtschaftsministerium zeigt sich hingegen zuletzt etwas optimistischer: Die deutsche Wirtschaft könnte im dritten Quartal die Talsohle erreicht haben und voraussichtlich um die Jahreswende wieder an Fahrt aufnehmen.

Privatkonsum soll anschieben

Die Medianprognose für 2023 des Konjunkturtableaus deckt sich mit Einschätzung der sogenannten Wirtschaftsweisen. Wachstumsbremse ist die schwache Binnennachfrage, vor allem die stark gesunkenen staatlichen Konsumausgaben. Die erwartete Wachstumsrate für 2024 von 0,9% wiederum übertrifft jene des Sachverständigenrats um 0,2 Prozentpunkte. Als Hauptwachstumstreiber gilt der Privatkonsum ( 1,3%), der von steigenden Realeinkommen profitieren dürfte. Vom Außenhandel allerdings wird ein negativer Impuls erwartet, da die Exporte mit 1,1% deutlich langsamer zulegen als die Importe mit 2,3%. Hier dürften sich die Folgen des Zinsstraffungskurses der großen Notenbanken und die schleppend verlaufende Erholung in China auswirken. Zudem produziert China derweil verstärkt selbst, was zuvor importiert werden musste.

Mehr Hoffnung für Euroraum

Mit Blick auf den gemeinsamen Währungsraum zeigen sich die Experten etwas optimistischer als zuletzt und haben die Wachstumsprognose für das laufende Jahr um 0,1 Prozentpunkte auf 0,6% nach oben revidiert. Dem Euroraum wird also weiter um einiges mehr zugetraut als deren größter Volkswirtschaft. Für das kommende Jahr wird weiterhin ein BIP-Plus von 1,0% vorausgesagt.

Kaum Veränderung gibt es bei den Prognosen der Verbraucherpreisentwicklung. Die Jahresraten lagen im Oktober sowohl in Deutschland als auch im Eurogebiet spürbar unter den Werten des Vormonats. Dennoch haben die Experten die Erwartungen an die Inflationsrate für Deutschland im Gesamtjahr 2024 um 0,2 Prozentpunkte auf 2,8% nach oben geschraubt. Für das Eurogebiet wird unverändert mit 2,7% gerechnet. Die geldpolitischen Erwartungen sind stabil geblieben. Die Prognosen der kurzfristigen Zinsen in den kommenden drei Monaten sind um 0,1 Punkte nach oben revidiert worden.

"Auch wenn die Experten für das Jahr 2024 einen deutlichen Rückgang der Inflation in Richtung des Inflationsziels erwarten, gehen sie vorerst nicht von einer Entspannung bei der Geldpolitik aus", betonte ZEW-Experte Glas.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.