EU-Stabilitätspakt

Deutschland reißt 2023 die Defizitlatte

Deutschland wird 2023 die Maastricht-Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts verletzten. Sollten die angekündigten Energiepreissubventionen dank der wieder entspannten Märkte geringer ausfallen, dreht sich die Lage.

Deutschland reißt 2023 die Defizitlatte

Deutschland reißt die Defizitlatte

Voraussichtlich geringere Energiepreissubventionen führen zu günstigerem Bild – Schuldenstand steigt

wf Berlin

Deutschland wird 2023 mit einem Finanzierungsdefizit von 4,25% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) die Latte im europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt reißen. Dies ist die aktuelle Projektion im deutschen Stabilitätsprogramm. Bis Ende April muss die Bundesregierung das Programm nach Brüssel melden. 2024 wird der Projektion zufolge die Defizitobergrenze von 3% in den europäischen Verträgen wieder eingehalten und bis 2026 auf rund 0,75% des BIP sinken. Berechnet wird die Quote für den Gesamtstaat – also Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen. Das Kabinett billigte das Stabilitätsprogramm am Mittwoch in Berlin.

Energiemarktpreise entlasten

Tatsächlich dürfte die Defizitquote in der Endabrechnung in diesem Jahr geringer ausfallen. Das Bundesfinanzministerium rechnet mit nur 1,25% des BIP. In dieser Berechnung wurde unterstellt, dass nicht die gesamten geplanten Ausgaben zur Subventionierung der Energiepreise aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) abfließen. Da die Energiepreise am Markt wieder gesunken sind, zeichne sich bereits ab, dass weniger Mittel zur Preisdämpfung nötig sein werden, hieß es. Aus dem kreditfinanzierten WSF sind für 2023 Ausgaben von 117 Mrd. Euro vom Bundestag gebilligt. Für die Finanzierung der Gaspreisbremse sind 40 Mrd. und für die Strompreisbremse 43 Mrd. Euro etatisiert.

Das um Konjunktureffekte bereinigte, strukturelle Defizit wird laut Stabilitätsprogramm 2023 rund 3,5% erreichen und bis 2026 auf 0,75% des BIP sinken. Damit liege es nah an der vom Stabilitäts- und Wachstumspakt geforderten Grenze von 0,5%. Ohne die WSF-Ausgaben würde auch das strukturelle Defizit schon in diesem Jahr besser ausfallen und nur bei 0,75% liegen.

2022 hatte Deutschland mit einem negativen Finanzierungssaldo von 2,6% des BIP die Defizitquote erstmals seit 2019 – also vor Ausbruch der Coronakrise – wieder unterschritten. Strukturell lag das Defizit im vergangenen Jahr bei 1,8% (siehe Grafik). Dies spiegelt sich in der gesamtstaatlichen „Maastricht“-Schuldenstandsquote. 2022 ging der Schuldenstand in Relation zum BIP zwar von 69,3% auf 66,3% zurück. Nach der Projektion wird der Schuldenstand in diesem Jahr aber voraussichtlich wieder auf 67,75% steigen. Von 2024 an werde die Quote laut Projektion bis 2026 kontinuierlich auf rund 65,5% sinken. Maximal sind 60% in den europäischen Verträgen erlaubt.

Zinsen schlagen durch

Die Bundesregierung liefert zur Berechnung der Defizitquote auch eine Sensitivitätsanalyse. Für 2023 wird ein Wachstum des realen BIP von 0,2% unterstellt, für 2024 von 1,8%. Fällt das Wachstum um einen halben Prozentpunkt schlechter aus, bliebe die Defizitquote 2023 unverändert bei 4,25%, läge aber im nächsten Jahr mit 2,25% um einen halben Prozentpunkt höher. Unterstellt wird dabei eine Reaktion der Staatseinnahmen und -ausgaben auf das Wachstum. Eine Verbesserung des BIP um einen halben Prozentpunkt würde die Defizitquote in diesem Jahr auf 4% drücken und im nächsten Jahr auf 1,25%. Auch Zinsänderungen schlagen durch: Würde der Zinssatz um 50 Basispunkte im Jahr über dem Basisszenario liegen, würde das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit um 0,25 Prozentpunkte des BIP höher ausfallen. Umgekehrt würde ein um 50 Basispunkte geringerer Zinssatz die Defizitquote um 0,25 Prozentpunkte drücken.