Nettozahlerdebatte in der EU

Deutschland zahlt, Luxemburg kassiert

Die EU-Kommission unterschlägt seit 2020 die Nettozahler- und Nettoempfängerpositionen der Länder. Doch entsprechende Berechnungen lassen sich trotzdem nicht verhindern – und zeigen Ungereimtheiten bei der Belastung.

Deutschland zahlt, Luxemburg kassiert

Trotz jahrelanger wirtschaftlicher Stagnation bleibt Deutschland der mit Abstand größer Nettozahler der Europäischen Union (EU). Im vergangenen Jahr zahlte Europas größte Volkswirtschaft 13,1 Mrd. Euro mehr in den EU-Topf ein, als sie daraus erhielt, wie eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) zeigt. Allerdings hat die schwache Konjunktur dazu geführt, dass die Nettozahlungen um knapp 4 Mrd. Euro gesunken sind. Damit lag Berlin wieder im Bereich des Durchschnitts der Jahre 2014 bis 2020.

Nettozahler unten im negativen Bereich, Nettoempfänger oben mit positiven Werten.

Auf Platz zwei liegt Frankreich, das im vergangenen Jahr 4,8 Mrd. Euro mehr abführte als zurückflossen. Auf Platz drei folgt dann Italien mit einem Nettobeitrag von 1,6 Mrd. Euro. Größter Nettoempfänger sind demnach Griechenland mit 3,5 Mrd. Euro vor Polen (2,9 Mrd. Euro) und Rumänien (2,7 Mrd. Euro). 2023 lag hier Polen mit 8,1 Mrd. Euro noch klar auf dem ersten Platz.

„Der EU-Haushalt ist ein Spiegel der wirtschaftlichen Machtverhältnisse in Europa“, lässt sich IW-Expertin Samina Sultan zitieren. Wachstumsstarke Länder wie Polen erhielten zuletzt weniger Unterstützung. Deutschland und Frankreich seien die Sorgenkinder der EU, ihre Wirtschaftskrise zeige sich auch „an den kleiner werdenden Beiträgen zum EU-Haushalt“. Wegen der anhaltenden Flaute dürfte die Bundesrepublik auch 2025 erneut weniger netto einzahlen, erwartet Sultan; laut aktuellen Prognosen wird Deutschland dieses Jahr im europäischen Vergleich wieder nur unterdurchschnittlich wachsen.

Belastung/Entlastung je Einwohner

Dass Deutschland hohe Milliardenbeträge an die EU netto abführt ist natürlich auch der Größe und Stärke seiner Wirtschaft geschuldet. Fairer ist die Betrachtung deshalb, wenn man die Werte pro Kopf der Bevölkerung abbildet. Danach zahlte jeder Bürger in Deutschland im vergangenen Jahr netto rund 157 Euro an die EU – auch damit liegt die Bundesrepublik an der Spitze, gefolgt von Irland mit 130 Euro. Die größten Pro-Kopf-Empfänger sind gleichwohl Luxemburg mit 560 Euro, Lettland mit 547 Euro und Estland mit 443 Euro.

Verzerrung durch NextGeneration

Berücksichtigt man neben dem regulären EU-Haushalt auch die Finanzströme im Rahmen von NextGeneration EU, dem Brüsseler Konjunkturpaket, so ist Deutschland nur noch sechstgrößter Nettozahler gemessen in Relation zum Bruttonationaleinkommen (BNE), was ähnlich wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) abgegrenzt ist. Denn Deutschland hat 2024 im Vergleich zum Vorjahr deutlich höhere Auszahlungen aus diesem Nebenhaushalt erhalten. Betrachtet man den NGEU-Fonds für sich, so sind 2024 gemessen am BNE Spanien und Portugal die größten Nettoempfänger.

Wachstumstreiber für Spanien

Im Fall von Spanien zeigt eine Unternehmensumfrage der spanischen Zentralbank, dass die Fördermittel aus NGEU ein wesentlicher Treiber für private Investitionen sind, die wiederum zum robusten wirtschaftlichen Wachstum des Landes in den letzten Jahren beigetragen haben. Die Zahlungen aus NGEU sollen Ende 2026 jedoch planmäßig auslaufen. Die Debatte darüber, inwiefern eine Verstetigung eines gemeinsamen europäischen Fonds oder zumindest eine Verlängerung der Auszahlungsphase von NGEU angebracht ist, dürfte somit im kommenden Jahr an Relevanz gewinnen.

Wenig Transparenz in Brüssel

Bis 2020 hat die EU-Kommission ihre Statistik über die Nettozahler und -empfänger noch selbst veröffentlicht. Sie verzichte inzwischen aber aus politischen Gründen darauf, so das IW. „Zwar lassen sich die Effekte der europäischen Integration nicht auf die Nettopositionen der Mitgliedstaaten reduzieren, aus Transparenzgründen ist ihre Berechnung dennoch wichtig“, betonte das Institut.