Ifo-Studie zum De-Risking

Deutschlands Abkopplung von China stockt

Immer mehr Unternehmen beziehen ihre Vorprodukte nicht mehr nur aus China, sondern aus anderen Weltregionen. Doch der Derisking-Prozess verlangsamt sich, warnt eine Studie des Münchner Ifo-Instituts.

Deutschlands Abkopplung von China stockt

Ifo: Deutschlands Abkopplung von China stockt

Unternehmen verteilen den Bezug ihrer Vorprodukte auf mehrere Weltregionen – Einzelne Branchen aber weniger ambitioniert

lz Frankfurt

Immer mehr deutsche Unternehmen haben seit 2022 ihre Abhängigkeit von chinesischen Vorprodukten deutlich vermindert, doch scheint dieser Prozess inzwischen ins Stocken geraten zu sein. Waren im Februar 2022, unmittelbar vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, noch 46% der Firmen von wichtigen Vorprodukten aus China abhängig, sind es inzwischen noch 37%, wie das Münchner Ifo-Institut am Donnerstag zu seiner Umfrage mitteilte.

Allerdings betrifft das nicht Unternehmen, die wichtige Vorleistungen aus eigenen Produktionsstätten in China beziehen. Insofern, betont das Ifo-Institut, habe auch die Bedeutung von Auslandsinvestitionen deutscher Unternehmen für die Handelsbeziehungen mit China zugenommen – und damit auch ihre Bedeutung für die politische Führung in Peking. Bei der staatlichen Förderung von Handelsdiversifizierung sollte nach Meinung des Ifo-Instituts daher auch die Rolle von Auslandsinvestitionen verstärkt in den Blick genommen werden. Die Neuausrichtung von staatlichen Investitionsgarantien im vergangenen Jahr mit dem Ziel, eine übermäßige Konzentration von Investitionsgarantien zu vermeiden, sei aus diesem Grund auch im Sinne einer besseren Lieferkettendiversifizierung zu begrüßen.

Bundesregierung dringt auf Derisking

Die Umfrage hat auch zutage gefördert, dass inzwischen auch immer weniger Unternehmen ihre Importe aus China zukünftig weiter verringern wollen, weil die unmittelbaren Abhängigkeiten zu groß sind, aber auch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit womöglich überzeugend ist. Vor zwei Jahren habe dies noch fast jede zweite Industriefirma geplant. Im aktuellen Panel sei dieser Anteil auf 38% gesunken.

Die Bundesregierung hält die heimische Wirtschaft dazu an, nicht alles auf die Karte China zu setzen, sondern Investitionen breiter zu streuen. Derisking wird diese Strategie auch genannt. Hintergrund ist die Gefahr eines Taiwan-Krieges, der Sanktionen gegen China – ähnlich denen gegen Russland infolge der Ukraine-Invasion – nach sich ziehen und Lieferketten sprengen könnte.

Lieferketten im Blick

Dies scheint auch das Hauptmotiv der Unternehmen zu sein, ihre Abhängigkeit von China zu reduzieren. Denn Transportstörungen und Frachtkosten werden im Vergleich zu 2022 dem Ifo zufolge von den befragten Unternehmen deutlich seltener als Grund für eine Importreduzierung genannt, spielen aber insgesamt noch immer eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Denn während der Corona-Pandemie hatten viele Unternehmen schmerzliche Erfahrungen mit gesprengten Lieferketten und unzureichender Versorgung mit Rohstoffen und Vorprodukten gemacht.

Diversifikation der Lieferketten

Besonders häufig gaben Hersteller von Datenverarbeitungsgeräten (65%), elektrischen Ausrüstungen (60%) und Unternehmen der Autoindustrie (59%) an, nach wie vor auf wichtige Vorprodukte aus der Volksrepublik angewiesen zu sein. „Im Vergleich zur Umfrage von 2022 ist allerdings in fast allen Industriebranchen der Anteil der Unternehmen zurückgegangen, die wichtige Vorprodukte aus China beziehen“, sagte der Co-Autor der Studie, Andreas Baur.

Durch die Diversifikation der Lieferketten ist die Bedeutung außereuropäischer Bezugsquellen aus anderen Weltregionen als China gestiegen. Inländische und innereuropäische Alternativen werden dabei aber offenbar weniger häufig in Betracht gezogen. Besonders stark fiel der Rückgang bei den Möbelherstellern (minus 29 Prozentpunkte) und in der Automobilindustrie (minus 17 Prozentpunkte) aus. Einzige Ausnahme bilde die chemische Industrie: Hier gaben in der neuesten Umfrage 46% aller Unternehmen an, auf Vorleistungen aus China angewiesen zu sein. Im Vergleich zu 2022 war dies ein Anstieg um 5 Prozentpunkte.

China ist zwar immer noch der wichtigste deutsche Handelspartner. 2023 nahmen aber die Importe aus China um 19,2% ab und die Exporte verringerten sich um 8,8%. Mit einem Außenhandelsvolumen von 253,1 Mrd. Euro lag das „Reich der Mitte“ damit nur noch ganz knapp vor den USA (252,3 Mrd. Euro). Chinas Anteil an den gesamten deutschen Warenexporten ist seit 2020 von knapp 8% auf nur noch gut 6% zurückgegangen.