ZEW-Index

Die Angst übernimmt das Ruder der Konjunktur

Die Stimmung unter Konsumenten und Investoren kühlt sich rasant ab. Das besorgt auch die Marktteilnehmer, die regelmäßig vom ZEW um ihre Konjunktureinschätzung befragt werden. Ihr Votum: Daumen runter!

Die Angst übernimmt das Ruder der Konjunktur

Börsenprofis blicken wieder deutlich skeptischer auf die deutsche Wirtschaft. Das Barometer für die Einschätzung zur deutschen Konjunktur in den nächsten sechs Monaten fiel im Juli überraschend kräftig um 25,8 auf minus 53,8 Punkte, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zu seiner monatlichen Umfrage unter Analysten und Anlegern mitteilte. Die Einschätzung der konjunkturellen Lage für Deutschland geht ebenfalls sehr stark zurück und liegt aktuell bei minus 45,8 Punkten, 18,2 Punkte unter dem Wert des Vormonats. Lageeinschätzung und Erwartungen sind damit sogar etwas unter den Werten, die sich im März 2020 zu Beginn der Coronakrise ergaben. Der ZEW-Index liegt zudem nur noch 10 Punkte über seinem Allzeittief vom Juli 2008, das im Zuge der globalen Finanzkrise erreicht worden war

„Die aktuell großen Sorgen über die Energieversorgung in Deutschland, der angekündigte Zinsanstieg der EZB sowie weitere coronabedingte Einschränkungen in China führen zu einer erheblichen Verschlechterung des Konjunkturausblicks. Die Expertinnen und Experten bewerten die aktuelle Wirtschaftslage deutlich schlechter als im Vormonat und senken ihre ohnehin ungünstige Prognose für die nächsten sechs Monate weiter ab. Besonders stark gehen die Erwartungen für energieintensive und exportorientierte Wirtschaftssektoren zurück, aber auch der private Konsum wird deutlich schwächer eingeschätzt“, kommentiert ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach die aktuellen Erwartungen.

Auch in der Eurozone kippt die Stimmung

Die Erwartungen der Finanzmarktexperten und Finanzmarktexpertinnen an die Konjunkturentwicklung in der Eurozone stürzen im Juli um 3,1 Punkte ab. Sie liegen damit aktuell bei minus 51,1 Punkten. Der Lageindikator reduziert sich um 18,0 Punkte auf einen neuen Wert von minus 44,4 Punkten. Die Inflationserwartungen für das Eurogebiet steigen in der aktuellen Umfrage um 6,8 Punkte an. Sie liegen mit minus 25,6 Punkten nach wie vor deutlich im negativen Bereich. Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur eine Verschlechterung auf minus 38,3 Punkte erwartet.

Wegen ernster Rezessionsgründe hat die Angst das Ruder übernommen“, kommentiert Alexander Krüger, Chefvolkswirt Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank das Umfrageergebnis. Vor allem der drohende Gaslieferstopp und die kräftigen Reallohneinkommensverluste sorgten für Katerstimmung. Solange ein Gaslieferstopp akut sei, würden Rezessionsängste eher noch zunehmen. Derzeit sei völlig unklar, wo eine Konjunkturwende herkommen solle.

„Das sieht nicht gut aus!“, sagt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. „Die ZEW-Konjunkturerwartungen plumpsen abwärts und signalisieren hohe konjunkturelle Unsicherheiten.“ Zu viele Dinge seien derzeit ungewiss, als dass die vom ZEW befragten Finanzmarktanalysten den Daumen heben könnten. Da sei zunächst die Unsicherheit in Sachen Gas. Strömt nach Beendigung der Wartungsarbeiten ab 21. Juli wieder Gas durch die Pipeline Nord Stream 1? Wie geht es weiter mit den Materialknappheiten? Muss China in weitere Lockdowns, um der Pandemie Herr zu werden? Und in der Ukraine tobe ein Krieg mit noch ungeklärtem Ausgang. „Selbst für hartgesottene krisengewohnte Volkswirte ist das ein zu viel an Unsicherheit.“