Soziale Gerechtigkeit

Die Aufstiegschancen junger Menschen schrumpfen

In Deutschland ist es für junge Menschen schwerer geworden, sozial aufzusteigen. Das Versprechen, sich selbst ein besseres Leben aufbauen zu können als die Eltern, kann nicht mehr gehalten werden. Das hat auch negative Folgen für das Wachstum.

Die Aufstiegschancen junger Menschen schrumpfen

Die Herkunft bestimmt Aufstiegschancen

Ifo-Studie zu Karrierewegen junger Menschen – Ungleichheit steigt – USA gehen voran

nb Frankfurt

In Deutschland wird es für jüngere Menschen immer schwerer, sozial aufzusteigen, um in höhere Lohnkategorien zu kommen. Das zeigt eine neue Studie des Ifo-Instituts in München zu sozialer Mobilität. Sie widmete sich der Frage, inwieweit die Lebenschancen von Kindern durch den sozioökonomischen Status ihrer Eltern bestimmt wird. Ein Aspekt ist in dieser Hinsicht zunächst die Chancengleichheit, also die Wahrnehmung der Menschen, wie fair eine Gesellschaft ist. Wenn das Einkommen einer Person hauptsächlich von äußeren Umständen abhängt, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen, wie beispielsweise dem Einkommen oder dem Bildungsgrad ihrer Eltern und eben nicht von individuellen Entscheidungen und Anstrengungen, wird dies im Allgemeinen als ungerecht angesehen.

Ein geringer Grad an intergenerationeller Mobilität ist insofern nicht nur aus moralischen Gründen wie Gerechtigkeit unerwünscht, sondern auch aus Gründen der Effizienz. Denn wenn nur die Kinder sehr reicher Eltern Erfinder werden, ebenso begabte Kinder von armen Eltern jedoch nicht, wird die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft nicht ausgeschöpft, warnen die Forscher und verweisen auf den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang.

Deshalb haben die Ifo-Experten auf Basis des sozioökonomischen Panels (SOEP) 1756 Eltern-Kind-Paare für die Geburtsjahrgänge der Kinder von 1968 bis 1987 ausgewertet. Sie haben untersucht, wie sich die Aufstiegschancen der Kinder dieser Jahrgänge verändern. Ergebnis: Kinder, die ab den 1980er Jahren geboren wurden, haben klar geringere Aufstiegschancen als frühere Generationen.

Elterneinkommen entscheidend

„Der Einfluss des Einkommens der Eltern auf die Bildung und das spätere Einkommen der Kinder hat sich Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre innerhalb von einer Generation verdoppelt“, sagt ifo-Forscherin Julia Baarck. Die Bildung wirkte dabei als Kanal: Der Einfluss des Elterneinkommens auf die Bildungsabschlüsse der Kinder (Abitur, Hochschulabschluss und Bildungsjahre) ist über die Zeit deutlich gestiegen.

Der Rückgang der Einkommensmobilität fällt zeitlich mit einem starken Anstieg der Einkommensungleichheit in den 1990er und 2000er Jahren zusammen. Als möglicher verschärfender Faktor könnten Einschnitte beim Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) gewirkt haben, das als finanzielle Unterstützung für Studierende aus einkommensschwachen Familien eingeführt wurde. In den 1990er Jahren wurden die Anspruchsgrenzen verengt und die Sätze sowie Freibeträge haben einen Realwertverlust erlitten. Diese Einschnitte könnten die Bildungsbeteiligung von Kindern aus einkommensschwachen Familien gedämpft haben.

Toxische Mischung für Chancengleichheit

„Die Kombination einer steigenden Ungleichheit und sinkenden Mobilität stellt eine toxische Mischung für die Chancengerechtigkeit in Deutschland dar“, warnt Andreas Peichl, Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen.

Im internationalen Vergleich ist die Einkommensmobilität in Deutschland inzwischen ähnlich gering wie in den USA. Dieses Forschungsergebnis kam unerwartet, räumt das Ifo-Institut ein, denn bisher wurde Deutschland einer Gruppe skandinavischer Länder und Kanada zugeordnet, bei denen auch eine höhere Einkommensmobilität herrscht. Damit sind Veränderungen im Einkommensranking der Bevölkerung gemeint.

Die Forscher bedienen sich einer Analogie: Nicht nur die Sprossen der Einkommensleiter sind auseinandergerückt, die die steigende Ungleichheit symbolisieren, sondern auch die Chancen der Kinder, die Leiter hinaufzusteigen, haben sich im Vergleich zu ihren Eltern verschlechtert, was die sinkende Mobilität darstellt.