Geldpolitik

Die Frankenwächter senden zwiespältige Signale aus

Die Schweizer Notenbank belässt den Leitzins überraschend bei 1,75%. Die Frankenhüter befinden sich zwar in einer komfortableren Lage als andere Zentralbanken, sorgen sich aber noch mehr um die heimische Konjunktur.

Die Frankenwächter senden zwiespältige Signale aus

Die Frankenwächter senden zwiespältige Signale aus

Auch die Schweizer Notenbank verzichtet auf Leitzinserhöhung und lässt einen pessimistischen Konjunkturausblick erkennen

dz Zürich

15 Monate nachdem die Schweizerische Nationalbank mit dem Ausstieg aus der Negativzinspolitik der EZB zuvorgekommen war, sehen die Frankenhüter erneut vor Frankfurt keine Notwendigkeit mehr, den Leitzins weiter über das aktuelle Niveau von 1,75% hinaus zu erhöhen.

Franken verliert deutlich

Die Folgen der vergrößerten Zinsdifferenz wurden am Donnerstag auf dem Devisenmarkt sofort sichtbar. Eine Stunde nach Bekanntgabe des Zinsentscheids kostete ein Euro wieder nahezu 97 Rappen – 1% mehr als vorher oder so viel wie seit fast drei Monaten nicht mehr. Auch zum Dollar notierte die Schweizer Valuta markant schwächer.

Der SNB kommt die Abschwächung des Franken nicht gelegen. Ein starker Franken ist eine ihrer wirkungsvollsten Waffen im Kampf gegen die Inflation. Während die Preise für Schweizer Inlandgüter im August um durchschnittlich 2,2% gegenüber dem Vorjahr angestiegen waren, gingen die Importpreise um 0,3% zurück. Alles in allem resultierte eine Jahresteuerung von lediglich 1,6% – ein im Vergleich mit allen Industrieländern rekordverdächtig niedriger Wert. Vor dem Hintergrund steigender Energiepreise und Mieten ist klar, dass dieser Wert bald wieder steigen wird. Bis Mitte 2024 rechnet die SNB mit einer Inflation von 2,2%. Strompreise und Mieten dürften gemäß SNB je hälftig für den neuerlichen Teuerungsschub verantwortlich sein.

Offensichtlich sind die 2,2% aber doch nicht hoch genug, als dass sich die Notenbank veranlasst sähe, die Wirtschaft mit höheren Zinsen noch stärker auszubremsen. Die SNB signalisiert, dass sie sich im Kampf gegen die Inflation in einer relativ komfortablen Lage befindet.

1 Prozent Wachstum erwartet

Das gleiche Zinssignal betont aber auch die erhöhten wirtschaftlichen Risiken. Noch sagt die SNB zwar gleich wie im Juni ein Wachstum der Schweizer Wirtschaft im laufenden Jahr von 1% voraus. In der Tonalität kam die Prognose am Donnerstag allerdings deutlich wenig zuversichtlich an als noch im Juni.

Das mögen semantische Finessen sein. Aber sie sind geeignet zu erklären, weshalb die Nationalbank den Nachteil einer zwischenzeitlichen Frankenschwäche aufgrund der gestiegenen Zinsdifferenz geringer einstuft als den Vorteil, der bereits deutlich geschwächten Wirtschaft und insbesondere der Industrie eine Verschnaufpause zu gewähren.

Stark von Deutschland abhängig

Dass die wirtschaftlichen Prognosen für die Schweiz derzeit nicht sehr rosig aussehen, hat sehr viel mit Deutschland zu tun. Die SNB hat die Konjunkturentwicklung des wichtigsten Handelspartners der Schweiz selbstredend scharf auf dem Radar. Der Krieg in der Ukraine, der starke Anstieg der Energiepreise, aber auch die Veränderungen der Wirtschaftsstruktur setzen Deutschland gerade mehr zu als anderen Ländern, sagte SNB-Chef Thomas Jordan auf der Medienkonferenz zum Zinsentscheid.

In einem global schwachen konjunkturellen Umfeld präsentiere sich Europa und speziell Deutschland in besonders schwachem Zustand. Dass ein Hustenanfall Deutschlands die Schweizer Wirtschaft flachlegen kann, ist zwar keine neue, dafür aber eine virulente Erkenntnis.

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