Die Geduld mit Deutschland hat Grenzen
Die Geduld mit Deutschland hat Grenzen
Die Geduld mit Deutschland hat Grenzen
Wachstums- und Reformschwächen lassen auch Anleiheinvestoren zunehmend an der Safe-Haven-Rolle zweifeln
Von Stephan Lorz, Frankfurt
lz Frankfurt
Berlin möchte mit dem Sondervermögen die Infrastruktur und mit einem „Herbst der Reformen“ die Regulierungsstruktur modernisieren. Denn wenn das Wachstum weiter schwächelt, werden auch die Investoren in deutsche Staatspapiere nervös, weil das die finanzielle Tragfähigkeit untergräbt.
Die Schuldenbremse ist fiskalisch gesehen ein großer Erfolg. Deutschland hat durch sie die Trendwende bei der Staatsverschuldung eingeleitet. Das wurde allerdings auch durch eine jahrelange Investitionszurückhaltung teuer erkauft. Denn die Politik konnte sich nicht durchringen, konsumtive Ausgaben zurückzudrängen und Investitionen den Vorrang einzuräumen. Folge: Die Infrastruktur ist verkümmert, der Investitionsstau gigantisch.
Kein Wunder, dass der Ruf nach einer Reform der Schuldenbremse immer lauter wurde. Mit dem Sondervermögen wurde bereits unter ihrer Umgehung ein schuldenfinanzierter Schattenhaushalt aufgelegt. Obendrein gibt es quasi keine Grenzen mehr für Rüstungsausgaben. Nun soll eine Reformkommission Vorschläge für eine Neufassung vorlegen, die den fiskalischen Hunger des Staates zügelt, ihm zugleich mehr Raum für Investitionen gibt, insgesamt aber den Schuldenaufwuchs wieder etwas stärker bremst.
Zuwarten macht es schlimmer
Der Frankfurter Finanzwissenschaftler Volker Wieland ist einer der Kommissionsmitglieder und gilt als Verfechter einer stärkeren Fiskaldisziplin. Es gebe weiter gute Argumente für eine strenge Schuldenbremse, betont er auf einer Veranstaltung der Frankfurt School of Finance. Denn längeres Zuwarten mit der Konsolidierung mache die Rückführung der Defizite nur noch schwerer. Vor diesem Hintergrund hält er auch die Investitionsoffensive der Bundesregierung via Sondervermögen und die Ausnahmen für Rüstungsausgaben für zu weitgehend. Zum einen sei es schon schwer, die üblichen Investitionsgelder im Kernhaushalt zügig auszugeben, zum anderen seien die Verteidigungslasten eine permanente Verpflichtung. Früher bei anteilig viel höheren Rüstungsausgaben, so Wieland, habe man sie ja auch unterbringen können.
Nur produktive Investitionen
Der frühere Bundesbankpräsident Jens Weidmann hält die Investitionsoffensive nur für gerechtfertigt, wenn die Gelder auch tatsächlich in produktive, wachstumsfördernde Investitionen gesteckt werden. Sie konkurrierten schon mit den konsumtiven Staatsausgaben, wenn nun auch Investitionen ins Leere gingen, sei das gefährlich. Wieland verweist in diesem Zusammenhang auf die Flughäfen Frankfurt, Kassel und Paderborn – Investitionen für letztere seien „eher nicht in die beste Verwendung geflossen“.

Dass die deutsche Volkswirtschaft wieder auf den Wachstumspfad zurückfindet, ist nach Ansicht von Frank Engels, Chief Investment Officer von Union Investment, und Tammo Diemer, Geschäftsführer der deutschen Finanzagentur, aber auch entscheidend, um Finanzinvestoren als Käufer von Bundesanleihen bei der Stange zu halten. Noch habe Deutschland mit seiner Top-Bonität den Status eines „Safe Haven“. Die Nachfrage nach seinen Bonds sei sehr hoch, betont Diemer, verspürt aber schon eine gewisse Besorgnis unter Investoren, weil die Volkswirtschaft kein Wachstum mehr hervorbringt. Über längere Zeit könnte das „zum Problem“ werden.
„Herbst der Reformen“
Die Käufer deutscher Staatsschulden warteten nun auf den „Herbst der Reformen“ und achteten genau darauf, ob die Investitionen Wachstumswirkungen hätten, warnt Engels. Werde diese Chance verpasst, könne eine gefährliche Entwicklung eintreten: „Wir haben nur noch ein oder zwei Schüsse frei.“ Berlin müsse sich klar sein, dass es „nur relativ zu Italien, Spanien und Griechenland ein Safe-Haven“ sei.
Das ist auch dem hessischen Finanzminister Alexander Lorz durchaus bewusst. „Wenn wir das Geld nicht wirklich in produktive Investitionen bringen, um das Wachstum zu stärken, wäre das der Worst-Case.“
Allerdings dürfte auch ihm klar sein, dass die jüngste Debatte zum Bundeshaushalt diesbezüglich Zweifel aufkommen lässt, dass die Bundesregierung den Ernst der Lage erkannt hat. Denn viele Investitionen aus dem Kernhaushalt wurden verfassungswidrig in das Sondervermögen verschoben, um mehr Raum für konsumtive Ausgaben zu bekommen. Eigentlich sollten die Ausgaben aus dem neuen Schuldenfonds nämlich nur „zusätzlich“ (Grundgesetz 143h) erfolgen.
Lobbys als Politikschreck
Lorz zeigt sich durchaus selbstkritisch bezüglich der politischen Umsetzung: „Haben wir die Kraft, die Entbürokratisierung durchzuboxen und konsumtive Ausgaben einzuschränken zugunsten von Investitionen?“ Zumal hinter jeder Ausgabe und Bürokratie eine Lobby stecke, die das verteidigen werde.
Und wie würden im Worst-Case-Fall die Märkte reagieren? Investoren, so Engels, hielten sich dann mit Käufen von Staatsanleihen zurück, wie schon jetzt etwa im Fall Frankreich zu beobachten sei. Interessanter erscheinen ihnen dann oft Collateral Bonds wie Pfandbriefe. Aber auch ein anderer Trend lässt aufhorchen: Unternehmensanleihen mit Top-Bonität rücken immer mehr in den Blick als Alternative zu Staatsanleihen im Heimatland jenes Konzerns.