Nach Zolleinigung von EU und USA

„Die Inflationsprognose der EZB dürfte nicht halten“

Ralf Preusser erwartet durch die Zolleinigung von USA und EU wachsende Disinflationsrisiken. Anders als die meisten Ökonomen prognostiziert der Global Head of G10 Rates der Bank of America daher zwei Zinssenkungen der EZB bis zum Jahresende.

„Die Inflationsprognose der EZB dürfte nicht halten“

„Die Inflationsprognose der EZB dürfte nicht halten“

Bank of America erwartet zwei Zinssenkungen bis Jahresende in der Eurozone, aber keine der Fed – Dissens unter Ökonomen zu den Effekten der Handelspolitik

Ralf Preusser erwartet durch die Zolleinigung der Vereinigten Staaten mit der Europäischen Union wachsende Disinflationsrisiken im Euroraum. Anders als die meisten Ökonomen prognostiziert der Global Head of G10 Rates der Bank of America daher zwei Zinssenkungen der EZB bis zum Jahresende.

Von Martin Pirkl, Frankfurt

An den Finanzmärkten glaubt inzwischen nur noch eine Minderheit der Investoren an eine Zinssenkung der EZB im September. „Es bedarf eines Auslösers, damit die Notenbanker nochmals zur Tat schreiten“, meint auch Daniel Hartmann, Chefökonom des Vermögensverwalters Bantleon. Ein solcher Impuls könnte die Handelspolitik der USA sein. Sie ist es aber zumindest in den Augen des EZB-Rates Peter Kažimír derzeit nicht. Die bereits bekannten Details zum Zolldeal zwischen der EU und den USA würden keinen Druck auf die EZB ausüben, die Geldpolitik zu lockern. „Es bräuchte schon deutliche Anzeichen für eine Verschlechterung des Arbeitsmarktes, damit ich handeln würde“, schreibt er auf der Webseite der slowakischen Notenbank.

Für viele EZB-Ratsmitglieder sind die Projektionen der Notenbank zu Inflation und Wirtschaftswachstum von großer Bedeutung für die Steuerung des geldpolitischen Kurses. Bislang erwartet die EZB, dass die Inflation kommendes Jahr temporär auf 1,6% sinkt, 2027 aber wieder auf 2% steigt. Oder anders ausgedrückt, sie sieht sich voll auf Kurs. Im September stehen aktualisierte Projektionen an. Hier erwartet Ralf Preusser, Global Head of G10 Rates & FX Research der Bank of America, dass sich der Handelskonflikt bemerkbar macht.

Uneinigkeit bei Vorhersagen

„Die Inflationsprognose der EZB dürfte nicht halten“, sagt er mit Blick auf das Jahr 2027. Er führt an, dass der Basiszollsatz von 15% auf EU-Exporte fünf Prozentpunkte höher ist als im bisherigen Basisszenario der EZB. Höhere Zölle dämpfen das Wirtschaftswachstum, was die Inflation abschwächt. „Zudem hat die EU weitgehend auf Gegenzölle verzichtet, die inflationsverstärkend hätten sein können“, sagt Preusser. „Die Abwärtsrisiken für das Wirtschaftswachstum und die Inflation im Euroraum sind gestiegen.“ Die Bank of America erwartet daher nicht nur im September, sondern auch im Dezember eine Zinssenkung der EZB um 25 Basispunkte.

„Nach unseren Modellrechnungen dürfte das Abkommen das Wachstum der Eurozone um nahezu einen Prozentpunkt schwächen und es damit in den kommenden Quartalen beinahe zum Erliegen bringen“, meint auch Nicola Mai, Ökonom und Analyst für Staatsanleihen bei Pimco. Doch es gibt auch etliche Ökonomen, die die negativen wirtschaftlichen Effekte der Zölle für die Eurozone deutlich kleiner einstufen. So erwartet das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) für das besonders exportlastige Deutschland nur ein verringertes Wachstum von 0,13 Prozentpunkten in diesem Jahr. Eine ähnliche Größenordnung veranschlagen die Ökonomen der DZ Bank.

Die Verbraucher der Eurozone blicken wenig optimistisch auf die wirtschaftliche Entwicklung. Nur rund jeder Vierte rechnet damit, dass die Wirtschaft seines Landes in den kommenden zwölf Monaten wachsen wird. Das geht aus dem Consumer Expectation Survey (CES) der EZB hervor, den die Notenbank am Dienstag veröffentlicht hat. Die Befragung lief allerdings vor der Zolleinigung über die Bühne. Die kurzfristigen Inflationserwartungen der Verbraucher sind gesunken. Im Median sagen die Konsumenten nun eine Teuerung von 2,6% in einem Jahr voraus, nach 2,8% bei der Befragung einen Monat zuvor. Die prognostizierten Werte für in drei und in fünf Jahren liegen weiterhin bei 2,4% bzw. 2,1%.

Schwacher Dollar

Nicht nur die wirtschaftliche Aktivität spielt für den Inflationsausblick eine wichtige Rolle, sondern zunehmend auch der schwache Dollar. So hält es Hartmann von Bantleon für möglich, dass eine weitere Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar zu einer erneuten Lockerung der Geldpolitik im Euroraum führen könnte. „Auch wegen des stärkeren Euro steigt das Abwärtsrisiko für die Inflation“, stimmt Preusser zu. Zum einen verbilligt ein stärkerer Euro in Dollar notierte Importe für Unternehmen in der Eurozone. Zum anderen verschlechtert er die Wettbewerbsposition exportorientierter Unternehmen, die ihre Waren außerhalb der Währungsgemeinschaft verkaufen. Mit 1,1533 Dollar je Euro liegt die Devise derzeit über 4 Cent über dem in der letzten EZB-Projektion für das laufende Jahr veranschlagten Wert.

Die Fiskalpolitik der USA wird den Dollar nach Ansicht von Preusser weiter schwächen. Dem stimmt Christian Eggers, FX Analyst der Hamburg Commercial Bank (HCOB), zu. Er ergänzt: „Die implizite Infragestellung der Unabhängigkeit der Zentralbank interessiert Trump überhaupt nicht. Dem Dollar liegt auch dies im Magen.“

Mit Blick auf die Fed fallen die Analysen des Zolldeals der USA mit der EU ebenfalls nicht einheitlich aus. „Wenn diese Vereinbarung den Euro deckelt, indem sie mehr Sicherheit hinsichtlich der Inflationsentwicklung in den USA schafft und damit eine Zinssenkung durch die Fed ermöglicht, könnte dies genauso wichtig sein wie das Abkommen selbst“, sagt Michael Browne, CIO der Investmentgesellschaft Franklin Templeton.

Sichtbar im zweiten Halbjahr

Preusser geht dagegen davon aus, dass die Zollvereinbarung den Spielraum der Fed für Zinssenkungen verkleinert. „Für die Fed wird es schwer, die Zinsen so zu senken, wie von den Finanzmärkten eingepreist. Wir gehen erst von einer Zinssenkung im Jahr 2026 aus.“ Die Zölle, die die USA gegen ihre Handelspartner verhängen, dürften die Inflation in den USA deutlich steigen lassen. Bislang zeigt sich dieser Effekt noch nicht wirklich in den Daten. Ökonomen erwarten aber, dass dies im zweiten Halbjahr der Fall sein dürfte. Dennoch gehen Investoren mehrheitlich davon aus, dass die Fed die Zinsen noch ein bis zweimal in diesem Jahr senken wird.

„Die Inflationserwartungen der Märkte für die USA sind zu niedrig“, meint Preusser. Die Zölle, die hohen Staatsausgaben und die Migrationspolitik Trumps, all das erhöhe die Inflation.