NOTIERT IN PARIS

Die Kluft zwischen Juilletistes und Aoûtiens verwischt

Es ist in Frankreich noch immer eine Art Glaubensbekenntnis. Juilletiste oder Aoûtien, das ist die entscheidende Frage, die das zentralistische Frankreich mit seinen zweimonatigen Schulferien traditionell in zwei Lager spaltet. Auf der einen Seite...

Die Kluft zwischen Juilletistes und Aoûtiens verwischt

Es ist in Frankreich noch immer eine Art Glaubensbekenntnis. Juilletiste oder Aoûtien, das ist die entscheidende Frage, die das zentralistische Frankreich mit seinen zweimonatigen Schulferien traditionell in zwei Lager spaltet. Auf der einen Seite diejenigen, die es vorziehen, ihren Sommerurlaub im Juli zu machen, auf der anderen Seite diejenigen, die den August bevorzugen. Lange Zeit verriet diese Entscheidung auch etwas über den gesellschaftlichen Hintergrund der Urlauber, da viele Werke traditionell im August schließen. Deshalb galt der August früher eher als der Ferienmonat der Arbeiter und Angestellten, Juli dagegen als bevorzugte Reisezeit von Selbständigen und leitenden Angestellten.Von diesem Selbstverständnis ist in Frankreich noch immer etwas zu spüren, auch wenn sich die Kluft zwischen den Juilletistes und den Aoûtiens in den vergangenen zwanzig Jahren wegen der Deindustrialisierung und des durch die 35-Stunden-Woche ausgelösten Trends zu Kurzurlauben immer mehr verringert hat.Die Covid-19-Pandemie hat diesen Trend weiter verstärkt. Nach dem Ende der im Frühjahr verhängten strengen Ausgangssperre nutzten viele Franzosen gleich die ersten Wochen der Schulferien, um Urlaub zu nehmen.Verbrachte traditionell ohnehin eine Mehrheit ihre Sommerferien in Frankreich, sind es nun noch mehr geworden. Ferienwohnungsspezialist Pierre et Vacances und das Vermittlungsportal Airbnb haben in den letzten Wochen einen starken Anstieg der Nachfrage französischer Touristen verbucht. Besonders gefragt seien ländliche Gegenden im Landesinneren und in den Bergen, in der Ardèche, der Dordogne oder den Vogesen, berichtet Airbnb-Frankreichchef Emmanuel Marill. Die Berge und die Bretagne dienten jetzt vielen Franzosen als Zufluchtsort, sagt Pierre-et-Vacances-Generaldirektor Grégory Sion. Für die Bretagne sei es im Juli sogar fast so gut wie im vergangenen Jahr gelaufen, bestätigt Vanguélis Panayotis von der auf Tourismus spezialisierten Unternehmensberatung MKG Consulting.Paris dagegen bekommt die in zahlreichen Ländern geltenden Reisebeschränkungen schmerzhaft zu spüren. Während die Bewohner der französischen Hauptstadt im Juli und August in ihre Ferienhäuser flüchten, bevölkern in den Sommermonaten normalerweise viele ausländische Touristen die dann oft verlassenen Straßen. Die Saison sei ruhig, meint die Generaldirektorin des Office du Tourisme et des Congrès von Paris, Corinne Menegaux. Normalerweise mache der Sommer 26 % der Besuche eines Jahres aus, wobei im Sommer 60 % der Besucher aus dem Ausland kämen.Doch nun ist vor allem das Ausbleiben zahlungskräftiger Touristen aus Asien, dem Mittleren Osten und den USA zu spüren. Die Auslastungsrate der Hotels in Paris lag im Juli bei gerade mal 30 % bis 40 %, während sie im Januar und Februar noch über 70 % betragen hatte. Etwa die Hälfte der Häuser bleibt so wie das zur Oetker-Gruppe gehörende Bristol, das George V (Four Seasons), das Meurice, das Prince de Galles und das Shangri-La noch bis zum 1. September geschlossen. Die meisten der Hotels, die derzeit in Paris geöffnet sind, versuchen mit Rabatten französische Urlauber anzulocken, doch die ziehen oft Ferienwohnungen oder Privatzimmer vor.Die Vereinigung des Hotelgewerbes Union des Métiers et Industrie de l’Hôtellerie (UMIH) warnt bereits, dass nach den Sommerferien im September 25 % der Pariser Hotels Konkurs anmelden könnten. Paris sei die meistbesuchte Stadt der Welt, sagt Jean-Marc Banquet d’Orx, der bei dem Verband für den Großraum Paris zuständig ist. “Die Kundschaft war eine Mischung aus Geschäftsreisenden und traditionellen Touristen.” Doch diese Gäste seien nun ausgeblieben, da viele Häuser mit Reiseveranstaltern zusammengearbeitet hätten, von denen nun etliche zusammengebrochen seien.Hotel- und Gaststättenbetreiber setzen jetzt alle Hoffnungen in die Erholung des Geschäftstourismus. Normalerweise befindet sich Paris stets auf den ersten Plätzen der weltweit beliebtesten Veranstaltungsorte für Kongresse und Tagungen. Doch in diesem Frühjahr mussten zwei Drittel der rund 300 dort geplanten Veranstaltungen abgesagt werden. Und ob sie in den nächsten Monaten stattfinden können, ist alles andere als sicher.