NOTIERT IN LONDON

Die Kryptowährung für den Weltfrieden

Zeena Qureshi (26) hat sich viel vorgenommen. Die von ihr geführte Ananas Foundation will diffusen Ängsten vor dem Islam und religiösem Extremismus einen "lebendigen Koran" entgegensetzen. "Zusammenhanglose Informationen sind kein Wissen", sagt...

Die Kryptowährung für den Weltfrieden

Zeena Qureshi (26) hat sich viel vorgenommen. Die von ihr geführte Ananas Foundation will diffusen Ängsten vor dem Islam und religiösem Extremismus einen “lebendigen Koran” entgegensetzen. “Zusammenhanglose Informationen sind kein Wissen”, sagt Qureshi. Ihre Stiftung baut eine Art Online-Atlas des Islam auf, der seinen Nutzern Zugang zu unterschiedlichen Interpretationen der heiligen Schrift geben soll. Sie will auch Übersetzungen klassischer Texte für Leser von heute in Auftrag geben. Qureshi ist jedoch keine Religionsphilosophin. Die Amerikanerin kommt eher aus der Tech-Ecke. Nach einem Studium der Kunstgeschichte am University College London schrieb sie sich in Stanford für einen Kurs in “Technology Entrepreneurship” ein. Seit Montag sammelt die Ananas Foundation Unterstützer für ihre digitale Währung Anacoin. Bis Mittwoch ließen sich bereits mehr als 200 für eine Auktion im Oktober registrieren – kein schlechtes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass nicht groß dafür geworben wurde. Im Gegensatz zu den Veranstaltern zahlloser Initial Coin Offerings der vergangenen Monate geht es Qureshi nicht darum, mit Hilfe einer eigenen Kryptowährung schnell reich zu werden oder die strikten Regeln zu umgehen, die für die Beschaffung von Mitteln am Kapitalmarkt gelten. Ihre Stiftung ist eine anerkannte Wohltätigkeitsorganisation. Die digitalen Münzen sollen dazu dienen, Menschen dazu zu bewegen, ihr Wissen und ihre Ansichten einzubringen, eigene Beiträge zu verfassen. Die Idee stammt von ihrem Schwager Emad Mostaque, Co-Chief Investment Officer beim Hedgefonds Capricorn Fund Managers, der auch bei der von ihm mitgegründeten Stiftung als CIO fungiert.Ananas will Technologien einsetzen, die Facebook und Google verwenden, um ihren Nutzern Werbung möglichst treffsicher zuzustellen. Ihr Zweck soll allerdings darin bestehen, das gegenseitige Verständnis und die Wissensbildung zu fördern. Chairman ist Iain Little, der ehemalige Chef des britischen Privatkundengeschäfts von Pictet. “Während der ideologische Hass weltweit zunimmt, ist klar geworden, dass Fakten allein nicht ausreichen”, heißt es im Weißbuch der Stiftung. “Wir müssen wo immer möglich Zusammenhänge herstellen und einen Ort zur Verfügung stellen, der über ausreichend Autorität verfügt, um von einer breiten Auswahl von Gruppierungen als neutral akzeptiert zu werden.”Anders als bei Google sollen die Inhalte nicht nach Popularität sortiert werden. Ananas will auch nicht wie die Kuratoren der Online-Enzyklopädie Wikipedia streng über die Objektivität der Einträge wachen. “Wir werden nichts zensieren”, sagt Qureshi. Für sie war der Aufbau der Stiftung in den vergangenen drei Jahren ein Vollzeitjob. Türkische und pakistanische Medien haben bereits über ihr Projekt berichtet. Seine öffentliche Wirkung – vorausgesetzt, es wird von vielen Menschen aufgegriffen – könnte an das Aufsehen heranreichen, das Werke wie die “Historisch-kritische Einleitung in das Alte Testament” von Johann Gottfried Eichhorn (1752 – 1827) oder “Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet” von David Friedrich Strauß (1808 – 1874) im einst christlichen Abendland auslösten. Damals begann die kritische Auseinandersetzung mit der Bibel. Seitdem fragen sich Christen, wer das Wort Gottes zu Papier brachte, ob es nicht im Laufe der Zeit verkürzt oder fehlerhaft weitergegeben wurde und in welchem historischen Zusammenhang es steht. Die Bibel wurde zu einem Werk der Weltliteratur, aus dem man Weisheit und Trost schöpfen und viel Wahres erfahren kann. Sie verlor aber ihren bisherigen Status als die Wahrheit selbst.Ananas könnte zeigen, woran die Mehrheit der Muslime glaubt, wo die Differenzen zwischen unterschiedlichen Strömungen liegen. Neben der Community, in die man derzeit nur auf Einladung aufgenommen wird, sind eine kuratierte Plattform und eine App vorgesehen. Die von Qureshi an den Start gebrachte “Kryptowährung für den Frieden” dürfte für all diejenigen in den von der Mehrheitsgesellschaft abgehängten Parallelwelten Großbritanniens attraktiv sein, die sich für digitale Trends interessieren. Die Anwendungsmöglichkeiten der Technologie von Ananas sind unbegrenzt. Online-Atlanten lassen sich für viele Texte erstellen, die US-Verfassung etwa.