NOTIERT IN MOSKAU

Die Russen ziehen ihr Geld aus Europa ab

Wie sich die Zeiten doch ändern! Ist das Geld vermögender Russen bis vor wenigen Jahren noch vorwiegend aus dem Land geflüchtet, weil es im Westen sicherer war, so hat inzwischen teilweise auch eine Gegenbewegung eingesetzt. Das hat natürlich mit...

Die Russen ziehen ihr Geld aus Europa ab

Wie sich die Zeiten doch ändern! Ist das Geld vermögender Russen bis vor wenigen Jahren noch vorwiegend aus dem Land geflüchtet, weil es im Westen sicherer war, so hat inzwischen teilweise auch eine Gegenbewegung eingesetzt. Das hat natürlich mit den westlichen Sanktionen beziehungsweise der Angst diverser Geschäftsleute vor einem neuen Sanktionsreigen zu tun. Mindestens so sehr wirkt aber auch der neue Automatische Informationsaustausch über Finanzkonten im Kampf gegen grenzüberschreitende Steuerhinterziehung. Und schließlich wirken auch die Strafamnestien, mit denen der russische Staat die Reichen dazu bringen will, ihr Geld mit freiwilliger Vermögensdeklarierung nach Hause zurückzubringen.Die erste Amnestie wurde 2015 gestartet. Derzeit läuft die dritte, und zwar bis Ende Februar 2020. Ganze 19 000 Deklarationen über eine Gesamtsumme von 35 Mrd. Euro seien eingegangen, erklärte Finanzminister Anton Siluanow vor wenigen Tagen und nannte das Ergebnis “nicht schlecht”. Um Straffreiheit in Anspruch nehmen zu können, muss das Firmenkonstrukt im Ausland entweder geschlossen oder in eine der beiden russischen Offshore-Zonen (im fernöstlichen Primorje oder in Kaliningrad) überführt werden.Das alles führt nun jedenfalls auch dazu, dass russische Investitionen in europäische Immobilien zurückgehen – und zwar markant. Dies legt zumindest eine neue Statistik für die ersten neun Monate 2019 nahe, die der internationale Immobiliendienstleister CBRE Group veröffentlicht hat.Ihr zufolge gehen die großen Transaktionen der Russen im Ausland weiter zurück. “Die Daten unserer europäischen Kollegen zeigen, dass im laufenden Jahr überhaupt keine solchen Geschäftsabschlüsse verzeichnet worden sind”, erklärt Wladimir Pinajew, Generaldirektor von CBRE Russland, in der Aussendung. Dies sei zum ersten Mal seit sieben Jahren der Fall. “Kleinere Käufe, die unter dem Radar der internationalen Berater liegen, fanden natürlich statt.” Der Bericht berücksichtigt vor allem kommerzielle Immobilien, dazu Grundstücke für den Wohnbau. Nicht berücksichtigt sind dabei Käufe unter 150 000 Euro und Käufe für den Eigengebrauch – wie etwa Wohnungen.Aber auch bei Objekten für den Eigengebrauch ist eine rückläufige Tendenz zu beobachten, wie Marina Schalajewa von der internationalen Immobilienagentur Knight Frank kürzlich gegenüber der Nachrichtenagentur Itar-Tass erklärte. Investoren aus Russland würden europäische Immobilien im Bereich von 500 000 bis 1 Mill. Dollar in Betracht ziehen, sagte sie: “Von 2017 an jedoch beobachten wir, dass die Aktivität bei hochpreisigen Anfragen um Lifestyle-Immobilien abnimmt. Gemeint sind hier Villen, Häuser am Stadtrand und Appartements.”Wie sehr die Nachfrage abgenommen hat, zeigt ein Vergleich mit 2012. Damals erreichte der russische Ansturm auf europäische Immobilien ein Rekordvolumen von 1 Mrd. Euro, gibt CBRE an. Im vergangenen Jahr 2018 hingegen waren es nur noch 145 Mill. Euro.Ob die Flaute ganz so dramatisch ist, weiß freilich auch der Dienstleister CBRE nicht. Es könnte durchaus versteckte Transaktionen gegeben haben, die statistisch nicht wahrnehmbar seien, weil die Herkunft des Kapitals nicht deklariert worden sei, heißt es dort.Jedenfalls ist zuletzt die Aktivität auf dem russischen Immobiliensektor gestiegen. Laut CBRE hat das Volumen der Investitionen dort in den ersten drei Quartalen 2019 um 30 % auf 161 Mrd. Rubel (2,3 Mrd. Euro) gegenüber dem Vorjahr zugenommen. 83 % der Investitionen kommen von Russen. Der Anteil der Ausländer geht zurück.Ein neuer Patriotismus also. Und doch haben die Russen Europa nicht gänzlich den Rücken gekehrt. Laut Knight Frank vor allem in Griechenland, wo die Rendite bis zu 30 % betragen könne. Auch spekuliere man damit, dass das Land freigebiger mit Staatsbürgerschaften im Tausch gegen Investitionen sei, während andernorts die Vergabe von Staatsbürgerschaften gerade erschwert werde. In Malta und Großbritannien etwa. Und mittlerweile sogar in Zypern, einer der traditionell wichtigsten Auslandsdestinationen für Russen und ihr Geld. Wie sich die Zeiten doch ändern!