Düstere Wolken über der deutschen Wirtschaft
Düstere Wolken über der deutschen Wirtschaft
Düstere Wolken über der deutschen Wirtschaft
Industrieproduktion bricht ein – Rückgänge in wichtigen Branchen – Außenhandelsbilanzüberschuss sinkt
ba Frankfurt
Die deutsche Exportwirtschaft hat im Juni zwar ihr Geschäft ausgeweitet, damit die Rückgänge der Vormonate aber bei Weitem nicht wett gemacht. Vor allem die Ausfuhren in die USA sind wegen der Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump zum dritten Mal in Folge gesunken. Nach dem Auslaufen der Vorzieheffekte angesichts der drohenden höheren US-Zölle ist die Industrieproduktion außerdem auf den niedrigsten Stand seit dem Coronajahr 2020 abgerutscht. Da zudem die Produktionsdaten für Mai kräftig runterrevidiert wurden, könnte das BIP im zweiten Quartal etwas kräftiger als die bislang gemeldeten –0,1% geschrumpft sein. Die Talfahrt wird sich wohl im dritten Quartal fortsetzen, erwarten Ökonomen.
Niedrigster Stand seit Corona
Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) schränkte das produzierende Gewerbe den Ausstoß preis-, saison- und kalenderbereinigt um 1,9% ein. „Damit erreichte die Produktion den niedrigsten Stand seit Mai 2020, als die Produktion infolge der Corona-Pandemie eingebrochen war“, erklärten die Wiesbadener Statistiker dazu. Zudem meldeten sie eine „außergewöhnlich hohe Revision“ der Mai-Daten von +1,2% auf –0,1% wegen der „Korrekturmeldungen einiger Betriebe aus der Automobilindustrie“. Damit ergibt sich für das zweite Quartal ein Produktionsminus von 1,0% zum Vorquartal – und zugleich ein so niedriges Niveau wie zuletzt in der ersten Jahreshälfte 2020. „Die schwache Entwicklung der Industrieproduktion im zweiten Quartal dürfte teilweise Ausdruck einer Gegenbewegung zu den Vorzieheffekten im Zusammenhang mit den angekündigten Zollerhöhungen sein, die die wirtschaftliche Entwicklung im exportintensiven produzierenden Gewerbe zu Jahresbeginn positiv beeinflusst hatten“, kommentierte das Bundeswirtschaftsministerium. Impulse für einen dauerhaften Aufschwung der Industriekonjunktur seien nicht zu erkennen.
ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski warnt vor den langfristigen Folgen: „Der deutsche Mittelstand könnte ein Opfer der US-Zölle werden.“ Viele dieser „Hidden Champions“, den weltweit führenden Herstellern in Nischenbereichen, dürften mehr Schwierigkeiten haben, ihre Produktion zu verlagern als Großkonzerne. „Hinzu kommt der stärkere Euro-Wechselkurs – nicht nur gegenüber dem Dollar, sondern auch gegenüber vielen anderen Währungen.“ Auch das verteuere deutsche Waren im Ausland. „Daher erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass der Export bald wieder ein wesentlicher Wachstumstreiber für die deutsche Wirtschaft sein könnte, die alle Hoffnungen auf fiskalische Impulse, Unternehmensinvestitionen und Innovationen setzt, um das Wachstum wieder anzukurbeln“, betont Brzeski.
Rückgänge in wichtigen Branchen
Während die Energieerzeugung im Juni 3,1% zum Vormonat zulegte, weitete die kriselnde Baubranche die Produktion um 0,7% aus. Die Industrie im engeren Sinne hingegen drosselte den Output um 2,8%, getrieben von den Rückgängen im Maschinenbau (–5,3%), in der Pharmaindustrie (–11,0%) und in der Nahrungsmittelindustrie (–6,3%).

Auch vom Außenhandel kommt derzeit kein positiver Wachstumsimpuls: Dank der höheren Nachfrage aus der EU und China stiegen zwar die Exporte kalender- und saisonbereinigt um 0,8% auf 130,5 Mrd. Euro. Die Importe allerdings legten mit 4,2% auf 115,6 Mrd. Euro deutlich stärker zu. Der Überschuss der Außenhandelsbilanz sank damit von 18,5 Mrd. Euro im Mai auf 14,9 Mrd. Euro.
Starke Nachfrage aus der EU
Besonders stark zeigte sich die Nachfrage aus den Ländern des gemeinsamen Währungsraums (+3,1%), aber auch die Ausfuhren in die 27 EU-Länder zogen im Monatsvergleich an (+2,4%). In die sogenannten Drittstaaten, also Länder außerhalb der EU, wurden allerdings 1,2% weniger deutsche Waren geliefert. Vor allem die USA nahmen zollbedingt 2,1% weniger Waren ab. Die Exporte von 11,8 Mrd. Euro bedeuten den niedrigsten Warenwert seit Februar 2022, als es 11,2 Mrd. Euro waren. Die Exporte nach China hingegen stiegen um 1,1% auf 6,9 Mrd. Euro.
Vincent Stamer, Ökonom bei der Commerzbank, erwartet, dass die Zölle die Exporte in die USA innerhalb von zwei Jahren um 20 bis 25% senken könnten. Seit dieser Woche gelten einheitliche Zölle von insgesamt 15% auf fast alle Waren. Ausgenommen sind beispielsweise Pharmaprodukte (keine Zusatzzölle) und Stahl- und Aluminiumwaren (Zusatzzölle von 50%). Schon im Juni lagen die Exporte um 12% unter dem Durchschnitt des Jahres 2024, was auch deshalb bemerkenswert sei, „weil die in laufenden Preisen gemessenen Exporte in der Regel alleine wegen der Inflation steigen“. Mit dem dritten monatlichen Rückgang der deutschen US-Exporte in Folge sei nun klar, dass die US-Zollpolitik den Handel bremst. „Einerseits verteuern die Zölle aus Sicht der US-Importeure die Einfuhrpreise, sodass sie weniger deutsche Waren nachfragen. Andererseits dürften die Exporteure durch die Unsicherheit teilweise Waren zurückhalten, um Überraschungen im Transit zu vermeiden“, analysiert Stamer.